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PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Petersplatz
Sonntag, 16. November 2014

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Das Evangelium des heutigen Sonntags ist das Gleichnis von den Talenten nach dem heiligen Matthäus (25,14-30). Es erzählt von einem Mann, der auf Reisen geht, vorher seine Diener ruft und ihnen sein Vermögen in Talenten – antiken Münzen von sehr großem Wert – anvertraut. Jener Herr gibt dem ersten Diener fünf Talente, dem zweiten zwei, dem dritten eines. Während der Abwesenheit des Herrn sollen die Diener dieses Vermögen fruchten lassen. Der erste und der zweite Diener verdoppeln jeweils das Ausgangskapital; der dritte dagegen vergräbt aus Angst, alles zu verlieren, das empfangene Talent in einem Loch. Bei der Rückkehr des Herrn werden die ersten beiden gelobt und belohnt, während der dritte, der nur das empfangene Geldstück zurückerstattet, getadelt und bestraft wird.

Die Bedeutung ist klar. Der Mann des Gleichnisses repräsentiert Jesus, die Diener sind wir und die Talente sind das Vermögen, das der Herr uns anvertraut hat. Welches Vermögen? Sein Wort, die Eucharistie, den Glauben an den Vater im Himmel, seine Vergebung… kurz gesagt viele Dinge, seine kostbarsten Güter. Das ist das Vermögen, das er uns anvertraut. Nicht nur, um es zu hüten, sondern um es wachsen zu lassen! Während der Begriff »Talent« im herkömmlichen Sprachgebrauch auf eine herausragende individuelle Eigenschaft verweist – zum Beispiel Talent in der

Musik, im Sport usw. –, stehen die Talente im Evangelium für die Güter des Herrn, die er uns anvertraut, damit wir sie Frucht tragen lassen. Das in die Erde gegrabene Loch des »schlechten und faulen Dieners« (V. 26) verweist auf die Angst vor dem Risiko, die die Kreativität und Fruchtbarkeit der Liebe blockiert. Denn die Angst vor den Risiken der Liebe blockiert uns. Jesus fordert von uns nicht, seine Gnade in einem Tresor zu verwahren! Das fordert Jesus nicht von uns, sondern er will, dass wir sie zugunsten der anderen nutzen. Alle Güter, die wir empfangen haben, sind dazu da, sie den anderen zu geben, und so wachsen sie. Es ist, als sage er: »Schau, hier sind mein Erbarmen, meine Zärtlichkeit, meine Vergebung: nimm sie und mach reichlich Gebrauch davon.« Und wir, was haben wir daraus gemacht? Wen haben wir mit unserem Glauben »angesteckt«? Wie viele Menschen haben wir mit unserer Hoffnung ermutigt? Wie viel Liebe haben wir mit unserem Nächsten geteilt? Uns diese Fragen zu stellen, das wird uns gut tun. Jedes Umfeld, auch das fernste und unzugänglichste, kann zu einem Ort werden, an dem man die Talente fruchten lassen kann. Es gibt keine Situationen oder Orte, die von der christlichen Präsenz und dem christlichen Zeugnis ausgeschlossen sind. Das Zeugnis, das Jesus fordert, ist nichts Verschlossenes, es ist offen, es hängt von uns ab.

Dieses Gleichnis spornt uns an, unseren Glauben und unsere Zugehörigkeit zu Christus nicht zu verbergen, das Wort des Evangeliums nicht zu vergraben, sondern es in unserem Leben, in unseren Beziehungen, in den konkreten Situationen zirkulieren zu lassen, als Kraft, die aufrüttelt, reinigt, erneuert. So auch die Vergebung, die uns der Herr besonders im Sakrament der Versöhnung schenkt: Halten wir sie nicht in uns selbst verschlossen, sondern lassen wir es zu, dass sie ihre Kraft entfaltet, dass sie jene Mauern einstürzen lässt, die unser Egoismus errichtet hat, dass sie uns den ersten Schritt in den blockierten Beziehungen machen und den Dialog wiederaufnehmen lässt, wo es keine Kommunikation mehr gibt… Und so weiter. So dass diese Talente, diese Geschenke, die der Herr uns gegeben hat, etwas für die anderen werden, dass sie wachsen, Frucht tragen, durch unser Zeugnis.

Ich glaube, es wäre heute eine schöne Geste, wenn ein jeder von euch zuhause das Evangelium zur Hand nähme, das Evangelium des heiligen Matthäus, Kapitel 25, Verse 14 bis 30, Matthäus 15, 14-30, es lesen und ein wenig nachdenken würde: »Die Talente, die Reichtümer, alles, was Gott mir an Geistlichem gegeben hat, an Güte, das Wort Gottes – was tue ich, damit sie in den anderen wachsen? Oder bewahre ich sie lediglich in einem Tresor auf? Und darüber hinaus gibt der Herrn nicht allen dasselbe auf dieselbe Weise: er kennt uns persönlich und vertraut uns an, was richtig für uns ist. Doch in allen, in allen ist etwas, das gleich ist: dasselbe unendliche Vertrauen. Gott vertraut uns, Gott setzt seine Hoffnung in uns! Und das gilt für alle. Enttäuschen wir ihn nicht! Lassen wir uns nicht von der Angst in die Irre führen, sondern erwidern wir Vertrauen mit Vertrauen! Die Jungfrau Maria verkörpert diese Haltung auf die schönste und vollkommenste Weise. Sie hat die erhabenste Gabe erhalten und angenommen, Jesus in Person, und ihrerseits hat sie ihn großherzig der Menschheit geschenkt. Sie bitten wir, uns zu helfen, »tüchtige und treue Diener« zu sein, um »an der Freude unseres Herrn teilzunehmen«.


Nach dem Angelusgebet:

Liebe Brüder und Schwestern!

In diesen Tagen ist es in Rom zu ziemlich heftigen Spannungen zwischen Anwohnern und Immigranten gekommen. Es handelt sich dabei um etwas, was sich in verschiedenen europäischen Städten zuträgt, besonders in städtischen Randgebieten, die auch von anderen Missständen betroffen sind. Ich fordere die Institutionen auf allen Ebenen auf, diesen Geschehnissen Priorität einzuräumen, die mittlerweile einen sozialen Notstand darstellen und Gefahr laufen, immer mehr zu degenerieren, wenn sie nicht so bald wie möglich auf angemessene Weise in Angriff genommen werden. Die christliche Gemeinschaft setzt sich auf konkrete Weise dafür ein, dass es nicht zu Konflikt, sondern zu Begegnung kommt. Bürger und Immigranten können einander zusammen mit den Vertretern der Institutionen begegnen, auch in einem Pfarrsaal, und miteinander über die Lage reden. Das Wichtige ist, nicht der Versuchung des Konflikts nachzugeben, jede Gewalt zurückzuweisen. Es ist möglich, miteinander zu sprechen, aufeinander zu hören, gemeinsam zu planen und auf diese Weise Argwohn und Vorurteile zu überwinden und ein immer sichereres, friedlicheres und inklusiveres Zusammenleben aufzubauen.

Heute wird der »Weltgedenktag für die Straßenverkehrsopfer« begangen. Wir gedenken im Gebet aller, die das Leben verloren haben, und fordern einen beständigen Einsatz für die Unfallprävention wie auch ein vorsichtiges und die Regeln respektierendes Verhalten der Autofahrer. Ich grüße euch alle, Familien, Pfarreien, Vereinigungen und einzelne Gläubige, die ihr aus Italien und vielen Teilen der Welt gekommen seid. Besonders grüße ich die Pilger aus Murcia (Spanien), Cagliari, Teramo, Gubbio und Lissone; den Chor Amadeus aus Villafranca, die Vereinigung »Begleiter zu den Marienheiligtümern der Welt« und die Firmkinder aus Monte San Savino und Torano Nuovo. Ich grüße die Angestellten des Krankenhauses »Fatebenefratelli« in Rom und die Gruppe von Musikern des »Teatro dell’Opera di Roma«.

Und heute nicht vergessen, zuhause das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 25, Vers 14 nehmen und lesen und sich die Fragen stellen, die aufkommen. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag. Bitte, vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!

 



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