PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Petersplatz
Sonntag, 28. August 2016

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Die Episode aus dem heutigen Evangelium zeigt uns Jesus im Haus eines der führenden Pharisäer, als er aufmerksam beobachtet, wie die zum Essen geladenen Gäste sehr darauf bedacht sind, sich die ersten Plätze auszusuchen. Das ist eine Szene, die wir oft gesehen haben: auch »mit den Ellenbogen« den besten Platz suchen. Als er diese Szene sieht, erzählt er zwei kurze Gleichnisse, mit denen er zwei Weisungen gibt: eine betrifft den Patz, die andere betrifft den Lohn. Das erste Sinnbild spielt sich auf einem Hochzeitsfest ab. Jesus sagt: »Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! […] Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz« (Lk 14,8-10). Mit diesem Ratschlag will Jesus keine gesellschaftlichen Verhaltensnormen vorlegen, sondern eine Lehre über den Wert der Demut geben.

Die Geschichte lehrt, dass Stolz, Strebertum, Eitelkeit, Prahlerei die Ursache vieler Übel sind. Und Jesus lässt uns die Notwendigkeit verstehen, den letzten Platz zu wählen, das heißt Kleinheit und Verborgenheit zu suchen: die Demut. Wenn wir vor Gott diese Haltung der Demut einnehmen, dann erhöht uns Gott. Er beugt sich über uns, um uns zu ihm zu erheben. »Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden« (V. 11). Die Worte Jesu unterstreichen völlig verschiedene und entgegengesetzte Haltungen: die Haltung dessen, der sich seinen Platz aussucht, und die Haltung dessen, der ihn sich von Gott zuweisen lässt und von ihm den Lohn erwartet. Vergessen wir nicht: Gott entlohnt viel großzügiger als die Menschen! Er gibt uns einen viel schöneren Platz als den, den uns die Menschen geben!

Der Platz, den Gott uns gibt, ist nahe bei seinem Herzen und sein Lohn ist das ewige Leben. »Du wirst selig sein«, sagt Jesus, »… es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten « (V. 14). Das ist es, was im zweiten Gleichnis beschrieben wird, in dem Jesus die Haltung der Uneigennützigkeit aufzeigt, die die Gastfreundschaft kennzeichnen muss. Er sagt: »Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten« (V. 13-14). Es geht darum, die Unentgeltlichkeit zu wählen statt die opportunistische Berechnung, die danach trachtet, einen Lohn zu erhalten, die das eigene Interesse im Auge hat und versucht, sich noch mehr zu bereichern. Denn die Armen, die Einfachen, jene, die nichts zählen, werden nie eine Einladung zum Essen vergelten können. So zeigt Jesus seine Vorliebe für die Armen und Ausgeschlossenen, die die Privilegierten im Reich Gottes sind, und er verkündet die grundlegende Botschaft des Evangeliums, die darin besteht, dem Nächsten aus Liebe zu Gott zu dienen. Heute verleiht Jesus denen eine Stimme, die keine Stimme haben, und richtet an jeden von uns den eindringlichen Aufruf, das Herz zu öffnen und die Leiden und Ängste der Armen zu den unsrigen zu machen, die Leiden und Ängste der Hungernden, der Ausgegrenzten, der Flüchtlinge, der vom Leben Besiegten, aller von der Gesellschaft und von der Anmaßung der Stärkeren Ausgeschlossenen. Und diese Ausgeschlossenen sind in Wirklichkeit die übergroße Mehrheit der Bevölkerung.

In diesem Augenblick denke ich voll Dankbarkeit an die Tafeln, an denen viele Ehrenamtliche ihren Dienst anbieten und Alleinstehenden, Bedürftigen, Arbeitslosen oder Obdachlosen zu essen geben. Diese Tafeln und andere Werke der Barmherzigkeit – wie das Besuchen von Kranken, von Häftlingen… – sind Übungsplätze der Nächstenliebe, die die Kultur der Unentgeltlichkeit verbreiten, da alle, die dort tätig sind, von der Liebe zu Gott bewegt und von der Weisheit des Evangeliums erleuchtet sind. So wird der Dienst an den Brüdern und Schwestern zum Zeugnis der Liebe, das die Liebe Christi glaubwürdig und sichtbar macht. Bitten wir die Jungfrau Maria, dass sie uns alle Tage auf dem Weg der Demut führe, sie, die ihr ganzes Leben lang demütig war, und dass sie uns zu unentgeltlichen Gesten der Aufnahme und der Solidarität gegenüber den Ausgegrenzten befähige, um des göttlichen Lohnes würdig zu werden.

Nach dem Angelusgebet:

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte den Einwohnern Latiums, der Marken und Umbriens, die das Erbeben dieser Tage hart getroffen hat, erneut meine geistliche Nähe zum Ausdruck bringen. Ich denke besonders an die Menschen in Amatrice, Accumoli, Arquata und Pescara del Tronto, Norcia. Noch einmal sage ich der lieben Bevölkerung, dass die Kirche ihr Leid und ihre Sorgen mit ihnen teilt. Wir beten für die Verstorbenen und für die Überlebenden.

Der Einsatz, mit dem die Obrigkeiten, die Ordnungskräfte, der Zivilschutz und die freiwilligen Helfer arbeiten, zeigt, wie wichtig die Solidarität ist, um derart schmerzhafte Prüfungen zu überwinden. Liebe Brüder und Schwestern, auch ich hoffe, so bald es möglich ist, zu euch zu kommen, um euch persönlich den Trost des Glaubens, die Umarmung als Vater und Bruder und die Unterstützung der christlichen Hoffnung zu bringen. Wir wollen alle gemeinsam für diese Brüder und Schwestern beten: Gegrüßt seist du, Maria…

Gestern wurde in Santiago del Estero in Argentinien Schwester Maria Antonia de San José seliggesprochen; das Volk nennt sie »Mama Antula «. Ihr beispielhaftes christliches Zeugnis, besonders ihr Apostolat bei der Förderung der Geistlichen Übungen, mögen das Verlangen erwecken, immer mehr Christus und dem Evangelium treu zu sein. Am kommenden Donnerstag, den 1. September, werden wir gemeinsam mit den orthodoxen Brüdern und Schwestern und jenen anderer Kirchen den Weltgebetstag zur Bewahrung der Schöpfung begehen: es wird eine Gelegenheit sein, um den gemeinsamen Einsatz für den Schutz des Lebens zu stärken, indem Umwelt und Natur respektiert werden.

Jetzt grüße ich alle Pilger aus Italien und verschiedenen Ländern, besonders die Ministranten aus Kleinraming (Österreich); (auf Spanisch) die Besatzung des Schulschiffes »Fragata Libertad« – (wieder auf Italienisch) ich habe es auf Spanisch gesagt, weil die Heimat anzieht! –, die Gläubigen aus Gonzaga, Spirano, Brembo, Cordenons und Daverio; die Jugendlichen aus Venaria, Val Liona, Angarano, Moncalieri und Tombelle Allen wünsche ich einen schönen Sonntag, und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!