PAPST FRANZISKUS
ANGELUS
Petersplatz
Sonntag, 15. Januar 2017
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Im Mittelpunkt des heutigen Evangeliums (Joh 1,29-34) steht dieses Wort Johannes des Täufers: »Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt« (V. 29). Ein Wort, das vom Blick und von der Handbewegung begleitet wird, die auf ihn hinweisen, auf Jesus. Stellen wir uns die Szene vor. Wir befinden uns am Ufer des Jordan. Johannes tauft. Viele Leute sind da, Männer und Frauen verschiedenen Alters, die dorthin gekommen sind, an den Fluss, um die Taufe aus den Händen jenes Mannes zu empfangen, der viele an Elija erinnerte, den großen Propheten, der neun Jahrhunderte zuvor die Israeliten vom Götzendienst befreit und sie zum wahren Glauben an den Gott des Bundes, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zurückgeführt hatte.
Johannes verkündet, dass das Himmelreich nahe sei, dass sich der Messias bald offenbaren werde, und dass man sich vorbereiten, umkehren und mit Gerechtigkeit verhalten müsse. Und er beginnt, am Jordan zu taufen, um dem Volk ein konkretes Mittel zur Buße zu geben (vgl. Mt 3,1-6). Diese Menschen kamen, um ihre Sünden zu bereuen, um Buße zu tun und ein neues Leben zu beginnen. Er weiß, Johannes weiß, dass der Messias, der Gesalbte des Herrn, nunmehr nahe ist, und das Zeichen, um ihn zu erkennen, wird sein, dass der Heilige Geist auf ihn herabkommen wird; er nämlich wird die wahre Taufe bringen, die Taufe im Heiligen Geist (vgl. Joh 1,33). Und siehe, der Augenblick ist gekommen: Jesus kommt ans Ufer des Flusses, mitten unter die Menschen, unter die Sünder – wie wir alle. Es ist dies seine erste öffentliche Handlung, das Erste, was er tut, als er im Alter von 30 Jahren sein Haus in Nazaret verlassen hat: er geht nach Judäa hinab, er geht zum Jordan und lässt sich von Johannes taufen. Wir wissen, was geschieht – wir haben es am vergangenen Sonntag gefeiert: auf Jesus kommt der Heilige Geist in Form einer Taube herab und die Stimme des Vaters erklärt, dass er sein geliebter Sohn ist (vgl. Mt 3,16-17).
Das ist das Zeichen, auf das Johannes wartete! Er ist es! Jesus ist der Messias. Johannes ist erschüttert, da er sich in einer unvorstellbaren Weise gezeigt hat: mitten unter den Sündern, getauft wie sie, ja für sie. Doch der Geist erleuchtet Johannes und lässt ihn begreifen, dass sich so die Gerechtigkeit Gottes erfüllt, dass sich sein Heilsplan erfüllt: Jesus ist der Messias, der König Israels, doch nicht mit der Macht dieser Welt, sondern als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt und hinwegnimmt. So stellt Johannes ihn den Leuten und seinen Jüngern vor. Denn Johannes hatte einen großen Kreis von Jüngern, die ihn als geistlichen Führer gewählt hatten, und einige von ihnen werden die ersten Jünger Jesu werden. Wir kennen ihre Namen gut: Simon, der dann Petrus genannt wird, sein Bruder Andreas, Jakobus und dessen Bruder Johannes. Allesamt Fischer; alle aus Galiläa, wie Jesus.
Liebe Brüder und Schwestern, warum befassen wir uns so lange mit dieser Szene? Weil sie entscheidend ist! Das ist keine Anekdote. Es handelt sich um eine entscheidende historische Tatsache! Diese Szene ist entscheidend für unseren Glauben; und sie ist auch für die Sendung der Kirche entscheidend. Die Kirche ist zu allen Zeiten aufgerufen, das zu tun, was Johannes der Täufer getan hat, Jesus den Menschen zu zeigen und zu sagen: »Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!« Er ist der einzige Heiland! Er ist der Herr, demütig, mitten unter den Sündern, doch er ist es, er: da ist kein anderer, mächtiger, der kommt; nein, nein: er ist es! Das sind auch die Worte, die wir Priester jeden Tag in der heiligen Messe wiederholen, wenn wir dem Volk das Brot und den Wein darreichen, die zu Leib und Blut Christi geworden sind. Dieser liturgische Gestus stellt die ganze Sendung der Kirche dar, die nicht sich selbst verkündigt. Wehe, wehe wenn die Kirche sich selbst verkündigt; sie verliert den Kompass, sie weiß nicht, wohin sie geht! Die Kirche verkündigt Christus; sie überbringt nicht sich selbst, sie überbringt Christus. Denn er ist es, und nur er, der sein Volk vor der Sünde rettet, der es befreit und in das Land der wahren Freiheit führt. Die Jungfrau Maria, Mutter des Gotteslammes, helfe uns, an ihn zu glauben und ihm zu folgen.
Nach dem Angelusgebet:
Liebe Brüder und Schwestern,
heute begehen wir den Welttag des Migranten und Flüchtlings, der dem Thema »Minderjährige Migranten – verletzlich und ohne Stimme« gewidmet ist. Diese unsere kleinen Brüder und Schwestern sind, besonders wenn sie nicht begleitet werden, vielen Gefahren ausgesetzt. Und ich sage euch, es sind wirklich viele! Es ist notwendig, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um den minderjährigen Migranten Schutz und Verteidigung wie auch ihre Integration zu gewährleisten. Einen besonderen Gruß richte ich an die Vertretungen verschiedener ethnischer Gemeinschaften, die hier zusammengekommen sind.
Liebe Freunde, ich wünsche euch, in Ruhe an den Orten zu leben, die euch aufnehmen, dabei die Gesetze und Traditionen zu achten und gleichzeitig die Werte eurer Herkunftskulturen zu bewahren. Die Begegnung verschiedener Kulturen ist immer eine Bereicherung für alle! Ich danke der Abteilung »Migrantes« der Diözese Rom und allen, die mit Migranten arbeiten, um sie aufzunehmen und in ihren Schwierigkeiten zu begleiten, und ich ermutige dazu, mit diesem Werk fortzufahren und dabei des Beispiels der hl. Francesca Saverio Cabrini, Schutzherrin der Migranten, zu gedenken, deren 100. Todestag wir dieses Jahr begehen. Diese mutige Ordensfrau gab ihr Leben hin, um die Liebe Christi all jenen zu überbringen, die fern von ihrer Heimat und Familie waren. Ihr Zeugnis helfe uns, uns unserer Brüder und Schwestern anzunehmen, die in der Fremde sind und in denen Jesus gegenwärtig ist, oftmals leidend, abgelehnt und gedemütigt. Wie oft hat uns der Herr in der Bibel gebeten, Migranten und Fremde aufzunehmen und dabei daran zu denken, dass auch wir Fremde sind!
Ich grüße voll Zuneigung euch alle, liebe Gläubige aus verschiedenen Pfarreien Italiens und aus anderen Ländern, wie auch die Vereinigungen und verschiedenen Gruppen. Besonders die Schüler des Instituts »Meléndez Valdés de Villafranca de los Barros«, Spanien. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag und eine gesegnete Mahlzeit. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke!
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