PAPST FRANZISKUS
ANGELUS
Petersplatz
Sonntag, 12. Februar 2017
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Die heutige Liturgie zeigt uns eine weitere Stelle aus der Bergpredigt, die wir im Matthäusevangelium finden (vgl. 5,17-37). In diesem Abschnitt will Jesus seinen Zuhörern helfen, das mosaische Gesetz neu zu lesen. Was im Alten Bund gesagt wurde, war wahr, doch es war nicht alles: Jesus ist gekommen, um das Gesetz Gottes bis zum kleinsten Buchstaben (vgl. V. 18) endgültig zur Erfüllung zu bringen und zu verkünden. Er zeigt dessen ursprüngliche Ziele auf und erfüllt dessen authentische Aspekte, und er tut all dies durch seine Verkündigung und mehr noch durch das Opfer seiner selbst am Kreuz.
So lehrt Jesus, wie der Wille Gottes ganz erfüllt wird, und er gebraucht dieses Wort: mit einer »größeren Gerechtigkeit als die der Schriftgelehrten und Pharisäer« (vgl. V. 20). Eine von Liebe, Nächstenliebe, Barmherzigkeit beseelte Gerechtigkeit, die imstande ist, die Substanz der Gebote zu verwirklichen und dabei die Gefahr des Formalismus zu meiden. Der Formalismus: das darf ich, das darf ich nicht; bis hierhin darf ich, ab hier darf ich nicht… Nein: mehr, mehr. Im Einzelnen behandelt Jesus im Evangelium von heute drei Aspekte, drei Gebote: das Töten, den Ehebruch und das Schwören. Hinsichtlich des Gebots »Du sollst nicht töten« sagt er, dass es nicht nur durch ein tatsächliches Töten gebrochen wird, sondern auch von jenen Verhaltensweisen, die die Würde der menschlichen Person verletzen, einschließlich beleidigender Worte (vgl. V. 22). Gewiss, diese beleidigenden Worte haben nicht dieselbe Schwere und Schuldhaftigkeit wie die Tötung, doch sie stehen auf derselben Linie, da sie deren Voraussetzung sind und dieselbe Missgunst offenbaren. Jesus fordert uns auf, keine Rangliste der Verletzungen aufzustellen, sondern sie insgesamt für schädlich zu erachten, insofern sie von der Absicht herrühren, dem Nächsten Böses zuzufügen.
Und Jesus gibt ein Beispiel. Beschimpfen: Wir sind es gewohnt zu beleidigen, es ist, als sage man »Guten Tag«. Und das liegt auf derselben Linie wie die Tötung. Wer den Bruder beschimpft, tötet den Bruder in seinem Herzen. Bitte, nicht schimpfen! Damit gewinnen wir nichts… Eine weitere Vollendung erfährt das Gesetz der Ehe. Der Ehebruch wurde als eine Verletzung des Eigentumsrechts des Mannes über die Frau angesehen. Jesus dagegen geht an die Wurzel des Übels. Wie man zum Töten über Schmähungen, Beleidigungen und Beschimpfungen gelangt, so kommt man zum Ehebruch über die Besitzabsichten gegenüber einer Frau, die nicht die Ehefrau ist. Der Ehebruch wird wie Diebstahl, Korruption und alle anderen Sünden zuerst in unserem Inneren geplant, und wenn im Herzen erst einmal die falsche Entscheidung getroffen ist, kommt es zu deren Verwirklichung im konkreten Verhalten. Und Jesus sagt: Wer eine Frau, die nicht die eigene ist, mit dem Gedanken an Besitz ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen, er hat den Weg zum Ehebruch eingeschlagen. Denken wir ein wenig darüber nach: über die schlechten Gedanken, zu denen es auf dieser Linie kommt.
Jesus sagt dann seinen Jüngern, dass sie nicht schwören sollen, insofern das Schwören Zeichen von Unsicherheit und Doppelzüngigkeit ist, über die hinweg sich die menschlichen Beziehungen entwickeln. Man instrumentalisiert die Vollmacht Gottes, um eine absichernde Garantie für unsere menschlichen Angelegenheiten zu geben. Vielmehr sind wir aufgerufen, unter uns, in unseren Familien und in unseren Gemeinschaften eine Atmosphäre der Klarheit und des gegenseitigen Vertrauens aufzubauen, so dass man uns für aufrichtig halten kann, ohne dabei auf ein höheres Eingreifen angewiesen zu sein, damit uns geglaubt wird. Der Argwohn und das gegenseitige Misstrauen bedrohen immer die Gelassenheit und Zuversicht! Die Jungfrau Maria, Frau des fügsamen Zuhörens und des freudigen Gehorsams, helfe uns, immer mehr dem Evangelium nahezukommen, um Christen zu sein, die es nicht nur der »Fassade nach« sind, sondern ihrem Wesen nach! Und das ist mit der Gnade des Heiligen Geistes möglich, die es uns gestattet, alles mit Liebe zu tun und so den Willen Gottes ganz zu erfüllen.
Nach dem Angelusgebet:
Liebe Brüder und Schwestern,
ich grüße euch alle, die ihr gekommen seid, die Pilger, die Familien, die Pfarrgruppen, die Vereinigungen. Besonders grüße ich die Alumnen des Instituts »Carolina Coronado « aus Almendralejo und die Gläubigen aus Tarragina in Spanien wie auch die Gruppen aus Caltanissetta, Valgoglio, Ancona, Pesaro, Turin und Pisa sowie die neokatechumenale Gemeinschaft »San Francesco di Paola« aus Turin.
Allen wünsche ich einen schönen Sonntag. Und vergesst nicht: nicht schimpfen; nicht mit bösen Augen, mit lüsternen Augen des Besitzes auf die Frau des Nächsten schauen; nicht schwören. Drei Dinge, die Jesus sagt. Es ist so leicht! Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!
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