PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Stark in der Schwachheit
Donnerstag, 18. Juni 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 27, 3. Juli 2015
»Schwachheit, Gebet, Vergebung«: Drei Schlüsselwörter, um sich bewusst zu machen, dass wir ohne Gottes Hilfe in unserem Leben keinen Schritt tun können. Papst Franziskus sprach über diese Schlüsselwörter im Lauf der heiligen Messe, die er am Donnerstag, 18. Juni, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.
Zu Beginn machte er darauf aufmerksam, dass wir im Tagesgebet »den Herrn, der unsere Stärke ist, um Hilfe gebeten haben«. Das Gebet habe gelautet: »In unserer Schwachheit vermögen wir nichts ohne deine Hilfe.« Dies seien Worte, die »das Bewusstsein zum Ausdruck bringen, schwach zu sein«. Es handle sich dabei »um jene Schwachheit, die wir alle seit der Wunde der Erbsünde in uns tragen: Wir sind schwach, wir erliegen der Versuchung, wir sind außerstande, ohne den Beistand des Herrn voranzugehen.« Aus eben diesem Grund, bekräftigte Franziskus, »ist es absolut unverzichtbar, dass wir unsere Schwäche kennen und eingestehen«.
»Jemand, der glaubt, stark genug zu sein, es aus eigener Kraft schaffen zu können, ist – um es gelinde auszudrücken – naiv und wird letzten Endes ein Verlierer sein, den seine zahlreichen Schwächen besiegt haben.« Dagegen bringe uns gerade »die Schwäche dazu, den Herrn um Hilfe zu bitten«, so wie im Tagesgebet: »In unserer Schwachheit vermögen wir nichts ohne deine Hilfe.« So »können wir im christlichen Leben ohne die Hilfe des Herrn keinen Schritt tun, da wir schwach sind«. Und »wer aufrecht steht, möge achtgeben, nicht zu fallen, weil er schwach ist, schwach auch im Glauben«. Der Papst lud ein, an jene Begebenheit nach der Verklärung zu denken: »Ein Vater bringt seinen Sohn zu Jesus, damit er ihn heile. Und Jesus sagt: Alles kann, wer glaubt.« Der Vater hingegen antworte: »Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Lass meinen Glauben wachsen, denn er ist schwach!« »Wir alle haben Glauben«, erläuterte der Papst, »und wir alle wollen im christlichen Leben vorankommen. Aber wenn wir uns unserer Schwachheit nicht bewusst sind, dann werden wir alle Verlierer sein.« Gerade deshalb »ist dieses Gebet so schön: In unserer Schwachheit vermögen wir nichts ohne deine Hilfe.« Und »das ist das erste heutige Wort: Schwachheit«.
Das zweite Wort laute »Gebet«. Die Apostel hätten folgende Bitte an Jesus gerichtet: »Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.« Der Papst erinnerte daran, dass im Tagesevangelium, das dem 6. Kapitel des Matthäusevangeliums (7-15) entnommen war, »diese Frage nicht vorkommt, sie steht in einem anderen Evangelium«. Jesus lehre sie beten, wobei er den Jüngern ans Herz lege, »nicht zu plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen«. Und Franziskus wiederholte, was der Herr zu den Jüngern gesagt hatte: »Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.«
Anschließend verwies der Papst auf einen Abschnitt aus dem ersten Buch der Könige: Auf dem Berg Karmel »schrien und brüllten die vierhundert Propheten des Götzen Baal; und der Prophet Elija verspottete sie ein wenig«, indem er sagte, dass ihr Gott vielleicht »schläft und euch nicht hört«. Aber »gerade so beten die Heiden«. Jesus hingegen empfehle: »Macht es nicht wie sie! Betet ganz einfach, denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. Öffnet eure Herzen vor dem Vater.« Gerade so »wie jene Frau, die im Tempel in Jerusalem war, die Mutter Samuels: Sie bat den Herrn um die Gnade eines Sohnes und bewegte dabei kaum ihre Lippen.« Weshalb »der Priester, der sie dort beobachtete«, zur Überzeugung gekommen sei, dass sie betrunken war, und sie getadelt und verjagt habe.
Dagegen sei das gerade ihre Art gewesen, »vor Gott ihren Schmerz auszudrücken: Sie bewegte nur die Lippen, weil sie außerstande war, zu sprechen: sie bat um einen Sohn«. Ja, »so betet man vor dem Herrn«. Und »damit wir lernen, dass Er gut ist und alles von uns weiß und auch weiß, was wir brauchen, wollen wir beginnen, dieses Wort ›Vater‹ zu sagen, das mit Sicherheit ein menschliches Wort ist, das uns das Leben schenkt, das wir aber im Gebet nur mit der Kraft des Heiligen Geistes sagen können.«
Im Ruf vor dem Evangelium erinnere die Liturgie an das Wort aus dem Brief des Paulus an die Römer (8,15): »Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!« Dieser Geist sei der Heilige Geist, erläuterte der Papst. Und daher »beginnen wir das Gebet in der Kraft des Geistes, der in uns betet«. So müsse man »beten, ganz einfach, mit einem offenen Herzen in der Gegenwart Gottes, der Vater ist und weiß, was wir brauchen, noch bevor wir ihn bitten«. Und »das ist das zweite Wort« für heute: »Gebet«.
»Es gibt eine Bedingung dafür, gut beten zu können«, ermahnte Franziskus. »Jesus entnimmt sie jenem Gebet, das er seine Jünger lehrt«: »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.« Und »dann greift Jesus diese Idee wieder auf«, wenn er sagt: »Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.«
Insofern, so erläuterte der Papst, »können wir nur dann gut beten und ›Vater‹ zu Gott sagen, wenn unser Herz im Frieden ist mit den anderen Menschen, mit den Brüdern«. Denen, die sich rechtfertigten, indem sie sagten: »Der da hat mir dieses angetan, der dort hat mir jenes angetan, und er hat mir auch noch das getan…«, könne nur eine Antwort erteilt werden: »Vergib, wie auch er dir vergeben wird!« Und »so verwandelt sich unsere Schwachheit mit Gottes Hilfe im Gebet in Stärke, denn die Vergebung ist eine große Stärke: Man muss stark sein, um zu vergeben. Aber diese Stärke ist eine Gnade, die wir vom Herrn empfangen müssen, denn wir sind schwach.« In der Eucharistiefeier, so schloss der Papst, »wird auch Er für uns schwach, er verwandelt sich in Brot: dort liegt die Stärke. Er betet für uns, er bietet sich dem Vater als Sühneopfer für uns an. Und er vergibt uns: Wir wollen von ihm die Stärke des Gottvertrauens lernen, die Stärke des Gebets und die Stärke der Vergebung.«
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