PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
An erster Stelle steht das Zuhören
Donnerstag, 25. Juni 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 28, 10. Juli 2015
Woran erkennt man einen Christen? An seiner Einstellung. Im Lauf der heiligen Messe, die Papst Franziskus am Donnerstag, 25. Juni, in Santa Marta feierte, legte er das Tagesevangelium aus, indem er das Bild des auf Fels erbauten Hauses auf das Alltagsleben der Gläubigen übertrug. Zunächst leitete der Papst daraus eine Lehre für alle ab und betonte, dass sich der dem Matthäusevangelium entnommene Textabschnitt (7,21-29) unmittelbar ans Ende »einer Katechesereihe« anschließe, »die Jesus für das Volk gehalten hat«, und wie »betroffen« das Volk dem Herrn gelauscht habe, weil er gelehrt habe »wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten«: »Die Menschen wissen, wenn ein Priester, ein Bischof, ein Katechet, ein Christ diese Kohärenz aufweist, die ihm Autorität verleiht, sie verstehen es sehr wohl, zu unterscheiden.«
Im Übrigen ermahne Jesus selbst im vorangegangenen Textabschnitt »seine Jünger, das Volk, jedermann: ›Hütet euch vor den falschen Propheten‹ «. Das richtige Wort – »wenn es auch ein Neologismus ist«, so Franziskus –, »müsste lauten: Pseudopropheten«. Diese Pseudopropheten »scheinen Schäflein zu sein, harmlose Schafe, aber in Wirklichkeit sind sie reißende Wölfe«. Und das Tagesevangelium zitiere genau jene Stelle, wo Jesus erläutere, wie man unterscheide, »wo die wahren Verkündiger des Evangeliums sind und wo jene, die ein Evangelium verkünden, das kein Evangelium ist«.
Es gebe, so erläuterte der Papst, »drei Schlüsselwörter, um das verständlich zu machen: Sprechen, Handeln, und Zuhören«. Es fange an mit dem »Sprechen«. Jesus sage: »Nicht jeder, der zu mir sagt: ›Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen.‹« Und er fahre fort: »Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: ›Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht?‹« Er aber antworte ihnen: »Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes.‹«
Was sei der Grund für diesen Widerspruch? Er bestehe darin, so erklärte der Papst, dass »diese Menschen sprechen und handeln«, aber es ermangele ihnen »an dieser anderen Einstellung, die gerade die Grundlage, das Fundament des Sprechens und Handelns ist«: Es fehle das »Zuhören«. Tatsächlich fahre Jesus fort: »Wer diese meine Worte hört und danach handelt…« Also »reicht das Begriffspaar Sprechen-Handeln allein nicht aus«, ja es könne gar in die Irre führen. Das korrekte Begriffspaar sei ein anderes: es bestehe im »Zuhören und Handeln, im Umsetzen in die Praxis«. In der Tat sage uns Jesus: »Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.« Wer dagegen »›meine Worte hört und nicht danach handelt‹, der kaum zuhört, also nicht richtig zuhört und sie nicht in die Praxis umsetzt, ›ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.‹« Das also sei der Schlüssel, um die falschen Propheten erkennen zu können: »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.« Damit sei gemeint, so sagte der Papst, »an ihrer Einstellung: Sie machen viele Worte, sprechen, tun Wunder, vollbringen große Taten, aber ihr Herz ist nicht offen, um das Wort Gottes zu hören, sie fürchten sich vor der Stille von Gottes Wort«. Gerade das seien »die Pseudo-Christen, die Pseudo-Hirten«, die »gute Dinge tun«, denen aber »der Felsen fehlt«. Im Tagesgebet heiße es: »Du lässt niemanden im Stich, der sich dem Felsen deiner Liebe anvertraut.« Diesen »Pseudo-Christen« dagegen fehle gerade »dieser Fels der Liebe Gottes, der Felsen von Gottes Wort«. Und, so fügte Franziskus hinzu, »ohne diesen Felsen können sie nicht prophezeien, sie können nicht bauen: Sie täuschen das nur vor, denn am Ende stürzt alles in sich zusammen«.
Bei ihnen, so sagte der Papst, handle es sich um »Pseudo-Hirten, um weltliche Hirten, um Hirten oder Christen, die allzu viel sprechen« – vielleicht deshalb, weil »sie sich vor der Stille fürchten« – und die »vielleicht zu viel handeln«. Da sie außerstande seien, zu handeln, indem sie mit »dem Zuhören« anfangen, »gehen sie bei ihrem Handeln von sich selbst aus und nicht von Gott«. Folglich, so fasste der Papst zusammen, »ist einer, der nur spricht und handelt, kein wahrer Prophet, er ist kein wahrer Christ, und am Ende wird alles einstürzen«, weil »es nicht auf dem Felsen von Gottes Liebe gebaut ist, nicht ›felsenfest‹ ist«. Dagegen »ist ein Mensch, der zuzuhören versteht und der sein Handeln am Gehörten ausrichtet, an der Kraft des Wortes eines anderen, ›felsenfest‹«, er »steht fest wie der Fels: solange er ein demütiger Mensch ist, der sich nicht den Anschein der Wichtigkeit gibt ist er groß«. Und »wie viele dieser Großen gibt es in der Kirche!«, betonte der Papst und fügte hinzu: »Wie viele große Bischöfe, wie viele große Priester, wie viele große Gläubige, die zuzuhören verstehen und danach handeln!«
Franziskus führte auch ein Beispiel unserer Tage an, indem er an die Gestalt Teresas von Kalkutta erinnerte, die »die Stimme des Herrn hörte: Sie sprach nicht, und sie verstand es, in der Stille zuzuhören« und danach zu handeln. »Sie hat sehr viel getan«, so versicherte der Papst. Und genau wie das Haus, das auf Fels gebaut wurde, »sind weder sie noch ihr Werk eingestürzt«. Aus ihrem Zeugnis könne man erkennen, dass »die großen Menschen zuzuhören verstehen und danach handeln, denn ihr Vertrauen und ihre Kraft« seien »auf den Felsen der Liebe Jesu Christi gebaut«.
Darauf beendete der Papst seine Reflexion, indem er sie in die Fortsetzung der Messe übergehen ließ und daran erinnerte, dass die Liturgie sich »des aus Stein gehauenen Altars« bediene, der »als Symbol für Jesus stark und fest« sei. Auf diesem Altar werde Jesus »schwach, ein Stück Brot«, das allen geschenkt werde. Der Herr »wird also schwach«, um uns stark zu machen. »Möge er uns bei dieser Messfeier begleiten«, so wünschte Franziskus, »und uns lehren, zuzuhören und unser Handeln am Gehörten auszurichten, nicht an unseren Worten.«
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