PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Verfolgt, weil sie Christen sind
Montag, 7. September 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 38, 18. September 2015
Das Entsetzen über die Verfolgung, die heute in der Welt stattfindet – mit Terroristen, die »unter dem komplizenhaften Schweigen zahlreicher Mächte« den Christen die Kehle durchschneiden –, hat bei Jesus angefangen und durchzieht die Geschichte der Kirche wie ein roter Faden. Deshalb »gibt es kein Christentum ohne Martyrium«. Und das Zeugnis der armenischen Glaubensgemeinschaft, »die nur verfolgt wurde, weil sie Christen waren«, muss jeden dazu führen, denselben Mut aufzubringen wie jene Märtyrer, sollte »eines Tages die Verfolgung auch hier stattfinden«. Das bekräftigte der Papst im Verlauf der Messe, die er am Montag, 7. September, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.
Im Rahmen der heiligen Messe wurde die Geste der »ecclesiastica communio« vollzogen, die dem neuen Patriarchen von Kilikien der Armenier, Gregor Petrus XX. Ghabroyan, gewährt worden war. Mit dem Papst konzelebrierten neben dem Patriarchen auch Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, sowie der Sekretär Erzbischof Cyril Vasil’ und der Untersekretär P. Lorenzo Lorusso und alle Bischöfe, die Mitglieder des Synods der armenisch-katholischen Patriarchalkirche sind, wie auch einige Priester.
Für seine Reflexion über das Martyrium ging Papst Franziskus nicht nur von der Anwesenheit der armenischen Christen aus, sondern auch vom Tagesevangelium (Lk 6,6-11): Jesus heilt dort am Sabbat einen Mann, dessen rechte Hand verdorrt war. Aber »die Predigt und die Vorgehensweise Jesu missfielen den Schriftgelehrten«. Und »aus diesem Grund beobachteten ihn die Schriftgelehrten und die Pharisäer, um zu sehen, was er tat: sie spionierten ihn aus, da sie schlechte Absichten in ihren Herzen hegten«. »Als Jesus den Dialog eröffnet und die Frage stellt, ob es erlaubt sei, am Sabbat Gutes oder Böses zu tun, sagen sie nichts und bleiben still.« Lukas berichte, dass sie nach dem Wunder, das der Herr vollbracht hatte, »von sinnloser Wut erfüllt« gewesen seien – hier bediene sich das Evangelium einer wahrlich »starken« Formulierung. »Und sie fingen an zu beraten, was sie gegen Jesus unternehmen könnten.« Mit einem Wort, sie hätten begonnen zu überlegen, wie sie den Herrn umbringen lassen könnten. Im Evangelium, so präzisierte der Papst, wiederhole sich diese Szene sehr oft. Diese Schriftgelehrten hätten also keineswegs etwa die folgende Haltung gezeigt: »Wir sind anderer Ansicht, sprechen wir darüber.« In ihnen habe vielmehr »die Wut den Sieg davongetragen: sie können sie nicht beherrschen und fangen an, Jesus zu verfolgen, bis zum Tod«.
Auch der heilige Paulus, »ein treuer Jünger des Herrn, erleidet dasselbe Schicksal«, so erinnerte der Papst. Das bestätige gerade die zuvor gehörte Schriftlesung aus dem Kolosserbrief (1,24-2,3): »Brüder, jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.« Der Weg des Paulus sei »derselbe Weg, den Jesus ging: Dem Haupt der Kirche folgt der Leib nach, die Kirche.« Und im Übrigen »erleidet die Kirche seit ihren Anfängen Verfolgung«. Aber bis wann werde das der Fall sein? Mit Sicherheit »bis heute«, so bekräftigte der Papst. In der Tat »werden auch heute zahlreiche Christen, mehr noch vielleicht als in den ersten Zeiten, verfolgt, getötet, vertrieben, ihrer Habe beraubt, nur weil sie Christen sind«. Und wie Paulus schreibe, »setzen sie im Leib der Kirche das Leiden Christi fort und vollenden es«.
Franziskus wiederholte, dass »es kein Christentum ohne Verfolgung gibt«. Und er regte an, sich an die »letzte Seligpreisung zu erinnern: Wenn sie euch in die Synagogen bringen werden, wenn sie euch verfolgen, euch schmähen werden: das ist das Geschick des Christen.« Mehr noch: »Heutzutage, angesichts dessen, was auf der Welt geschieht, unter dem komplizenhaften Schweigen zahlreicher Mächte, die dem hätten Einhalt gebieten können, haben wir es mit diesem christlichen Schicksal zu tun: denselben Weg zu gehen wie Jesus.« Insbesondere, so der Papst, »will ich heute, aus Anlass unserer gemeinsamen Eucharistiefeier, an eine der großen Verfolgungen erinnern, jene des armenischen Volkes. Ein Volk, die erste Nation, die sich zum Christentum bekehrte, die erste, die allein deshalb verfolgt wurde, weil sie christlich war.«
»In den Zeitungen spüren wir Entsetzen, über das, was einige Gruppen von Terroristen tun, die den Menschen nur weil sie Christen sind, die Kehle durchschneiden«, sagte Franziskus mit Blick auf die tragischen Ereignisse der Gegenwart. Er lud ein, an »die ägyptischen Märtyrer am libyschen Strand« zu denken. »Man hat ihnen die Kehle durchgeschnitten, während sie den Namen Jesu aussprachen.« Und zu den Armeniern zurückkehrend, erläuterte er, dass dieses Volk »verfolgt, aus seiner Heimat in die Wüste getrieben wurde, und keiner half ihm«. Gerade »heute berichtet uns das Evangelium, wo diese Geschichte ihren Anfang nahm: bei Jesus «. »Was sie mit Jesus getan haben, ist im Lauf der Geschichte dann mit seinem Leib, der Kirche, getan worden.« Aus dieser Perspektive wandte sich der Papst direkt an die Armenier: »Heute, an diesem Tag unserer ersten Eucharistiefeier als Mitbrüder im bischöflichen Amt, möchte ich dich, lieber Bruder Patriarch, und euch alle, die armenischen Bischöfe und Gläubigen und Priester, umarmen und an diese Verfolgung erinnern, die ihr erlitten habt, und an eure Heiligen erinnern, die unzähligen Heiligen, die verhungert und erfroren sind, die gefoltert und in die Wüste geschickt wurden, weil sie Christen waren.«
Franziskus bat den Herrn, auf dass er »uns das Bewusstsein schenken möge, dort das zu sehen, was Paulus sagt« und dass »er uns vollkommene Einsicht schenken möge, um das Geheimnis Gottes zu verstehen, das in Christus ist«. Und er fügte hinzu: »Das Geheimnis Gottes in Christus trägt das Kreuz: das Kreuz der Verfolgung, das Kreuz des Hasses, das Kreuz, das aus der Wut dieser Männer, dieser Schriftgelehrten kommt.« Wer aber »ruft diese Wut hervor? Das wissen wir alle. Es ist der Vater des Bösen.«
»Der Herr«, so der Papst weiter, »lässt uns heute im Leib der Kirche die Liebe zu unseren Märtyrern spüren und auch unsere Berufung zum Martyrium. Wir wissen nicht, was hier geschehen wird. Das wissen wir nicht!« Aber, so Franziskus abschließend, »wenn diese Verfolgung eines Tages hier geschehen sollte, so möge uns der Herr die Gnade des Mutes, des Zeugnisses schenken, das alle christlichen Märtyrer hatten und besonders die Christen des armenischen Volkes.«
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