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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Wie viel und wie

Montag, 19. Oktober  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 6. November 2015

 

»Habgier ist ein Götzendienst«, den man bekämpfen muss mit der Fähigkeit, zu teilen, zu geben und sich selbst an die anderen hinzugeben. Das heikle Thema der Beziehung des Menschen zum Reichtum stand im Mittelpunkt der Predigt, die Papst Franziskus am Morgen des 19. Oktober in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta hielt.

Ausgehend vom Abschnitt aus dem Lukasevangelium (12,13-21), wo von einem reichen und um die Vergrößerung seiner Vorräte besorgten Mann die Rede ist, unterstrich der Papst, dass Jesu Rede sich »gegen die Anhänglichkeit an den Reichtum richtet« und »nicht gegen den Reichtum an sich«: Denn Gott selbst »ist reich« – er selbst bezeichne sich als »reich an Barmherzigkeit, reich an Gaben« –, was aber »Jesus verurteilt, das ist: am Reichtum zu hängen«. Im Übrigen sage Jesus ganz klar, wie schwierig es für einen Reichen sei, »das heißt für einen Menschen, der am Reichtum hängt«, in den Himmel zu kommen.

Ein Gedanke, der in noch härteren Worten wiederholt werde: »Ihr könnt nicht zwei Herren dienen.« Franziskus unterstrich, dass Jesus in jenem Fall nicht den Gott und den Teufel einander gegenüberstelle, sondern Gott und den Reichtum, denn »das Gegenteil des Dienstes für Gott ist es, dem Reichtum zu dienen, für den Reichtum zu arbeiten, um noch mehr zu haben, um sich in Sicherheit zu wiegen«. Was aber geschehe in diesem Fall? Dass der Reichtum »eine Sicherheit wird« und die Religion eine Art »Versicherungsagentur: ›Ich sichere mich hier mit Gott ab und ich sichere mich hier mit dem Reichtum ab.‹« Aber Jesus sage ganz klar: »Das ist unmöglich.«

In diesem Zusammenhang bezog sich der Papst auch auf den Evangeliumstext vom reichen Jüngling: »Er hatte ein sehr gutes Herz und rührte Jesus«, aber dann »ging dieser traurig weg«, weil er nicht alles verlassen wollte, um es den Armen zu geben. »Am Reichtum zu hängen ist Götzendienst«, kommentierte Franziskus. Denn hier stünden wir »zwei Göttern« gegenüber: »Gott, dem Lebendigen, und jenem Gott aus Gold, in den ich meine Sicherheit setze. Und das ist nicht möglich.«

Der Abschnitt aus dem Tagesevangelium weise auf dasselbe hin: »zwei Brüder, die um das Erbe streiten«. Eine Situation, die wir auch heute  erlebten: »Denken wir nur daran, wie viele Familien wir kennen, die wegen eines Erbes zerstritten sind, die sich deswegen streiten, sich nicht mehr grüßen, sich hassen.« Es geschehe, dass »das Wichtigste nicht die Liebe zur Familie ist, die Liebe zu den Kindern, den Geschwistern, den Eltern: nein, es ist das Geld. Und das wirkt zerstörerisch.« Wir alle, war sich der Papst sicher, »kennen mindestens eine Familie, die deswegen gespalten ist«.

Die Habgier sei ebenso die Wurzel der Kriege: »Ja, es gibt ein Ideal, aber dahinter steht das Geld: das Geld der Waffenhändler, das Geld jener, die vom Krieg profitieren.« Jesus sagt ganz klar: »Seid wachsam und haltet euch fern von jeder Art Habgier: denn sie ist gefährlich.« Die Habgier gebe uns »diese Sicherheit, die nicht wahr ist, und sie führt dich zwar zum Beten – du kannst beten, in die Kirche gehen –, aber auch dazu, dass das Herz am Reichtum hängt, und das nimmt ein schlechtes Ende«. Zum Evangelium zurückkehrend zeichnete der Papst das Profil des Mannes, von dem dort die Rede ist: »Man sieht, dass er tüchtig war. Er war ein tüchtiger Unternehmer. Seine Ländereien hatten eine gute Ernte gebracht, und er war stets sehr reich.« Aber statt daran zu denken, mit seinen Arbeitern und ihren Familien zu teilen, habe er darüber nachgedacht, wie er den Reichtum anhäufen könne. Er suchte »immer mehr«. So »hört dieser Durst nach Reichtum niemals auf. Wenn dein Herz am Reichtum hängt – wenn du sehr viel davon hast –, dann willst du immer noch mehr. Und das ist dann der Götze desjenigen, der am Reichtum hängt.« Daher mahne Jesus zur Vorsicht und rate, sich von jeglicher Habgier fernzuhalten. Und bei »der Erklärung des Weges zum Heil, den Seligpreisungen, sei die erste Seligpreisung nicht zufällig die ›Armut im Geiste‹, das heißt: ›Hängt nicht am Reichtum!‹: Selig, die arm sind im Geist«, jene, die »nicht am Reichtum hängen«. Und wenn diese Menschen Reichtümer besäßen, dann »um den anderen zu dienen, um ihren Besitz zu teilen, um damit viele andere zu unterstützen«.

Jemand könne sich jedoch fragen: »Vater, aber wie geht das? Welches Zeichen sagt mir, ob ich in dieser Haltung des Götzendienstes bin oder nicht, ob ich am Reichtum hänge?« Die Antwort sei ganz einfach und ebenfalls im Evangelium zu finden: »Seit den ersten Tagen der Kirche« gebe es »ein Zeichen: Gebt Almosen!« Das allein reiche aber nicht. Wenn ich den Bedürftigen gebe, dann »ist das ein gutes Zeichen«, aber ich müsse mich auch fragen: »Wie viel gebe ich? Nur das, was ich übrig habe?« In diesem Fall, »ist das kein gutes Zeichen«. Das heißt: Wenn ich gebe, dann solle ich spüren, dass ich auf etwas verzichte, »das vielleicht für mich notwendig ist«. In jenem Fall bedeute meine Geste, »dass die Liebe zu Gott größer ist als die Anhänglichkeit an den Reichtum«.

Franziskus fasste zusammen: »Die erste Frage ist: ›Gebe ich?‹ Und die zweite: ›Wie viel gebe ich?‹« Drittens: »Wie gebe ich?« Tue ich es so wie Jesus »mit einer Geste der Liebe oder wie jemand, der eine Steuer zahlt?« Genauer: »Wenn ich jemandem helfe, schaue ich ihm dann in die Augen? Gebe ich ihm die Hand?« Man dürfe nicht vergessen, so der Papst, dass wir »das Fleisch Jesu vor uns haben, deinen Bruder, deine Schwester. Und du bist in jenem Augenblick wie der Vater, der es den Vögeln des Himmels nicht an Nahrung fehlen lässt.«

Abschließend forderte der Papst die Gläubigen auf: »Bitten wir den Herrn um die Gnade, frei zu sein von diesem Götzendienst, von der Anhänglichkeit an den Reichtum. Bitten wir ihn um die Gnade, auf ihn zu blicken, der so reich ist an Liebe, an Großherzigkeit, an Barmherzigkeit.« Und auch um die Gnade, »den anderen zu helfen mit Almosen, aber so wie Jesus es tut«. Jemand könne einwenden: »Aber, Vater, er hat auf nichts verzichtet…« In Wirklichkeit aber »hat Jesus Christus, der Gott gleich ist, darauf verzichtet, er hat sich erniedrigt, sich entäußert«..

 

 



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