PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Der Name der Ordensfrau
Dienstag, 20. Oktober 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 6. November 2015
Wir haben weder »einen kleinlichen Gott« noch einen »stillstehenden Gott«. Wir haben »einen Gott, der hinausgeht«, um »jeden einzelnen von uns zu suchen«. Und wenn er uns findet, dann »umarmt er uns, er küsst uns«, denn er ist »ein Gott, der Feste feiert«, und im Himmel werden »größere Feste gefeiert für einen Sünder, der umkehrt« als »für hundert Gerechte«. Auf diese »maßlose« Liebe des Vaters kam der Papst in der Predigt zurück, die er im Lauf der Frühmesse hielt, die am Dienstag, 20. Oktober, in Santa Marta gefeiert wurde.
Papst Franziskus ging wie gewöhnlich von den Lesungen zum Tage aus, vor allem von dem Abschnitt aus dem Römerbrief (5,12.15.17-19.20-21), wo Paulus daran erinnert, dass »durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und [dass] auf diese Weise der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle sündigten. So werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus«. Es handle sich dabei, wie der Papst anmerkte, um »ein Resumé der Heilsgeschichte«, in dem uns der Apostel »sagt, wie Gott errettet, wie er uns errettet, wie er uns errettet hat, wie er uns errettet: Wie er das Heil schenkt, das die Freundschaft zwischen ihm und uns darstellt«.
Der Papst brachte diesen Abschnitt in Verbindung mit jener des vorhergegangenen Tages, wo wir, wie er erinnerte, »über das Almosengeben gesprochen haben, wir haben gesagt, dass Gott in überreichem Maße gibt: Er schenkt sich selbst, seinen Sohn«. Und auch jetzt gehe es um »diese Vorstellung: Wie schenkt Gott in diesem Falle seine Freundschaft, unser aller Heil?« Die Antwort des Papstes lautete, dass Gott »so schenkt, wie er ankündigt, dass er schenken werde, wenn wir ein gutes Werk tun: Er wird uns ein gutes, randvolles, gefülltes, überquellendes Maß schenken.« Eine Großzügigkeit, die den Begriff der »Fülle« in den Sinn kommen lasse. Und es sei kein Zufall, so Franziskus, dass »dieses Wort ›reichlich‹ in diesem Textabschnitt dreimal wiederholt wird«. Folglich »gibt Gott reichlich«. So treffe es zu, dass Paulus in einer Art von »abschließender Zusammenfassung « seiner Rede bekräftige: »Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden.« So also sei »die Liebe Gottes: ohne Maß. Sich selbst in vollem Maße«. Tatsächlich, so erinnerte der Papst, »sandte er seinen Sohn, er erniedrigte sich, um unser Weggefährte zu werden, um mit uns zu gehen: er selbst ist mit uns gegangen, von Anfang an mit seinem Volk gegangen«.
Was bedeute also »dieses sich selbst ohne jedes Maß Schenken, das Gottes Liebe ist?« Es bedeute, dass »Gott kein kleinlicher Gott ist: Er kennt keine Kleinlichkeit, er gibt alles.« Weiter bedeute es, dass »Gott kein stillstehender Gott ist: er schaut, er wartet darauf, dass wir umkehren.« Im Grunde , so betonte der Papst, »ist Gott ein Gott, der hinausgeht: Er geht hinaus, um zu suchen, um jeden einzelnen von uns zu suchen.« Jeden einzelnen Tag »sucht er uns, macht er sich auf die Suche nach uns«, wie es der Hirte mit »dem verirrten Schaf« oder die Frau mit »dem verlorenen Groschen tut«. Gott »sucht: es ist immer so. Gott wartet aktiv auf uns. Er wird es nie müde, uns zu erwarten.« Sein Verhalten sei jenes des »alten Vaters«, der »den Sohn schon aus der Ferne hat kommen, hat heimkehren sehen« und der ihm sogleich entgegengeeilt sei, »um ihn zu umarmen«. Auch »Gott erwartet uns: immer, mit weitgeöffneten Türen«. Denn sein Herz »ist nicht verschlossen: es ist immer offen«. Und »wenn wir kommen, so wie dieser Sohn, dann umarmt er uns, dann küsst er uns: ein Gott, der Feste feiert«. Jesus »sagt das ganz explizit, als er über die Rechtfertigung spricht, also über die vergebenen Sünden: es wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über hundert Gerechte«. Das »ist die Liebe Gottes; so liebt uns Gott, ohne alles Maß«.
Sicher, so gestand Franziskus, »es ist nicht leicht, mit unseren Kriterien – wir sind klein und beschränkt – die Liebe Gottes zu erfassen. Wir können in diesen Gesten des Herrn dieses Übermaß erkennen, aber alles zu verstehen ist nicht einfach«. In diesem Zusammenhang beschwor der Papst die Gestalt einer Ordensfrau herauf, die er während seines Wirkens in Buenos Aires kennengelernt hatte. Es war »eine alte Schwester, eine sehr alte Ordensfrau, die ihr ganzes Leben lang in einer Abteilung des Krankenhauses gearbeitet hatte und immer noch dort arbeitete«. Sie war »über 84 Jahre alt«, aber sie arbeitete »immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Sicherlich hatte sie die Erfahrung der Liebe Gottes gemacht, denn sie sprach immer von der Liebe Gottes und ließ diese Liebe spüren«. Deshalb »hatten sie ihr einen Spitznamen verpasst«: man nannte sie »die Schwester der göttlichen Liebe«. Und es sei »eine Gnade«, so kommentierte der Papst, »solche Leute zu treffen, diese Heiligen, denen der Herr die Gabe verliehen hat, dieses Geheimnis zu durchschauen, dieses Übermaß seiner Liebe«. Es bleibe aber eine Tatsache, dass »wir immer die Gewohnheit haben, die Situationen, die Dinge an jenem Maßstab zu messen, den wir selbst haben: und unsere Maßstäbe sind kleiner«.
Daher, so empfahl Franziskus, »wird es uns gut tun, den Heiligen Geist um die Gnade zu bitten, den Heiligen Geist zu bitten, uns die Gnade zu schenken, uns wenigstens ein wenig näherkommen zu lassen, um diese Liebe zu verstehen und um den Wunsch zu verspüren, mit dieser grenzlosen Maßlosigkeit umarmt zu werden, geküsst zu werden«. Der heilige Paulus habe in Wirklichkeit »verstanden, wie hässlich die Sünde ist, aber auch, wie groß das Übermaß der göttlichen Liebe ist. Er hat das so gut verstanden, das er sich ganz klein fühlt und an einem bestimmten Punkt, vom Heiligen Geist bewegt, Gott ›Papa‹ nennt«. Für gewöhnlich »spricht er vom Vater, über den Vater«, aber »an einem Punkt sagt er: Papa«. Also, so bekräftigte der Papst, »kann ich ihn dank des Heiligen Geistes ›Papa‹ nennen«. Daraus leitete er die abschließende Aufforderung ab: »Lasst uns um die Gnade bitten, diese Liebe zu spüren, die eine väterliche Liebe ist, eine große, grenzenlose Liebe.«
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