PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
In Erwartung des Besuchs
Montag, 25. September 2017
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 40, 6. Oktober 2017)
Keiner ist von der Begegnung mit dem Herrn ausgeschlossen: Gott »kommt« im Leben eines jeden »vorbei« und jeder Christ ist aufgerufen, »in Spannung auf diese Begegnung ausgerichtet« zu sein. Es ist dies eine Botschaft der Hoffnung und der Freude, die der Papst in der Predigt bei der Messe in Santa Marta am Montag, den 25. September, lancierte. Doch es handelt sich auch um eine Einladung, die Trägheit abzuschütteln, keine »verschlossenen« Christen« zu sein.
Die Anregung zur Betrachtung kam aus der ersten Lesung vom Tag (Esra 1,1-6), die »von dem Augenblick berichtet, in dem das Volk Israel vom Exil befreit wird«. Ein Volk, das singt, wie auch der Psalm wiederholt: »Großes hat der Herr an uns getan«. Sie sahen, wie Gott »das Herz des heidnischen Königs inspiriert hatte, um dem Volk zu helfen, nach Jerusalem zurückzukehren«, und sie wiederholten daher voller Glück: »Da waren wir alle wie Träumende«. Und weiter: »Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel«. Sie »verstanden nicht«, so Franziskus, »doch sie waren voller Freude«. Es war dasselbe Volk, das von den Heiden dazu angeregt wurde, während des Exils zu singen, und geantwortet hatte: »Aber nein, das können wir nicht, das ist in weiter Ferne«. Der Papst erklärte: »Die Gitarren waren dort, auf den Bäumen, sie konnten nicht singen, da sie keine Freude hatten: sie waren in der Traurigkeit des Exils befangen«.
Was in der Schrift beschrieben wird, ist also »ein Besuch des Herrn: der Herr besuchte sein Volk und brachte es nach Jerusalem zurück«. Und gerade auf das Wort »Besuch« ging der Papst ein: ein »in der Heilsgeschichte« wichtiges Wort. Es findet sich zum Beispiel, als »Josef zu seinen Brüdern in Ägypten sagte: ›Gewiss wird Gott kommen und uns besuchen. Nehmt meine Gebeine mit euch‹«. Jedes Mal, wenn von »Befreiung, vom Erlösungswirken Gottes« die Rede ist, »ist dies ein Besuch: der Herr besucht sein Volk«. Und auch »zur Zeit Jesu«, als »die Leute, die er geheilt oder von den Dämonen befreit hatte, sagten: ›Der Herr hat sein Volk besucht‹«. Als Jesus selbst, so rief Franziskus in Erinnerung, »auf Jerusalem blickte, weinte er. Er weinte über die Stadt. Warum weinte er?« Weil »du die Zeit nicht erkannt hast, in der du besucht wurdest; weil du den Besuch des Herrn nicht verstanden hast«.
Daraus also die Lehre für jeden Menschen: »Wenn der Herr uns besucht, schenkt er uns dies die Freude, das heißt: er versetzt uns in einen Zustand des Trostes«, er bringt uns dazu, »freudig zu ernten «, er schenkt uns »geistlichen Trost«. Eine Tröstung, die »nicht allein zu jener Zeit erfolgte«, sondern die »ein Zustand im geistlichen Leben eines jeden Christen ist«. Der Papst gliederte seine Betrachtung zur Tröstung in drei Punkte: »die Tröstung erwarten«, dann »die Tröstung erkennen, da es falsche Propheten gibt, die uns dem Anschein nach Trost spenden, uns aber stattdessen täuschen«, und »den Trost bewahren«.
Als erstes, erklärte Franziskus, sei es notwendig, »für den Besuch Gottes offen zu sein«, denn »der Herr besucht einen jeden von uns; er sucht einen jeden von uns und begegnet ihm«. Es könne »schwächere Momente, stärkere Momente bei dieser Begegnung geben, doch der Herr wird immer seine Gegenwart spüren lassen, immer, auf die eine oder die andere Weise«. Und »wenn der Herr mit der geistlichen Tröstung kommt, erfüllt er uns mit Freude«, wie dies mit den Israeliten geschehen ist. Somit ist es notwendig, »diese Freude, diesen Besuch zu erwarten«, und nicht, wie viele Christen denken, nur den Himmel. Der Papst fragte: »Was erwartest du auf Erden? Willst du dem Herrn nicht begegnen? Willst du nicht, dass dich der Herr in der Seele besucht und dir die Schönheit der Tröstung, des Glücks ob seiner Gegenwart schenkt?« So lautet die darauf folgende Frage: »Wie erwartet man die Tröstung?« Die Antwort ist: »Mit jener demütigen Tugend, mit der demütigsten Tugend von allen: mit der Hoffnung. Ich hoffe, dass der Herr mich mit seinem Trost besuchen wird«. So muss man »den Herrn darum bitten, dass er sich sehen lasse, dass er die Begegnung verwirkliche«.
Es ist notwendig, »sich vorzubereiten«, erklärte der Papst, denn »der Christ ist ein Mann, eine Frau, die in Spannung auf die Begegnung mit Gott ausgerichtet sind«, auf »die Tröstung, die diese Begegnung schenkt«. Und wenn er nicht so ist, »dann ist er ein verschlossener Christ, ein Christ, der in die Lagerhalle des Lebens gestellt ist, ohne zu wissen, was er tun soll«. Deshalb, unterstrich der Papst erneut, ist es notwendig, »sich auf den Trost vorzubereiten, um den Besuch des Herrn zu bitten«, wie die Israeliten, die »siebzig Jahre lang um diesen Besuch gebeten haben. Der Herr hat sie besucht«. Sich mit »Hoffnung« vorbereiten, selbst wenn man denkt, eine »kleine« Hoffnung zu haben, denn »viele Male« ist diese Hoffnung »stark, wenn sie wie die Glut unter der Asche verborgen ist«.
Der zweite Punkt bestehe darin, »den Trost zu erkennen«. Tatsächlich »ist der Trost des Herrn keine allgemeine Heiterkeit, er ist keine Freude, die man kaufen kann«, wie wenn wir »in den Zirkus gehen«. Der Trost des Herrn »ist etwas anderes«. Man erkenne ihn: »Er rührt an das Innere und er bewegt dich und er schenkt dir eine Steigerung der Liebe, des Glaubens, der Hoffnung, und er bringt dich auch dazu, über deine Sünden zu weinen.« Und »mit Jesus zu weinen«, wenn wir sein Leiden betrachten.
Der »wahre Trost«, erklärte der Papst, »erhebt die Seele zu den Dingen des Himmels, zu den Dingen Gottes, und ebenso schenkt er der Seele Ruhe im Frieden des Herrn«. Der wahre Trost dürfe nicht mit »Vergnügen» verwechselt werden. Es sei nicht so, als wäre »das Vergnügen etwas Schlechtes, wenn es gut ist, wir sind Menschen, wir müssen es haben«; doch der Trost sei etwas anderes. Er »ergreift dich und man spürt gerade die Gegenwart Gottes und erkennt: ›das ist der Herr‹. Es ist dies dieselbe Erfahrung wie jene, die die Jünger am See Tiberias gemacht hatten, in jener Nacht, als sie keine Fische gefangen hatten und Johannes am Ufer sagte: ›Es ist der Herr!‹ Er erkannte ihn sofort«. Und es sei der Trost, der den Israeliten nach dem Exil zuteil wurde: »Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel.« Deshalb sei es notwendig, den Trost zu erkennen, »wenn er kommt«. Und wenn er komme, »dem Herrn zu danken«. Ein jeder müsse sich bewusst sein, dass »es gerade der Herr ist, der vorübergeht, um mich zu besuchen, um mir zu helfen, weiterzugehen, um zu hoffen, um das Kreuz zu tragen«. Es gelte, sich darauf auch »mit dem Gebet vorzubereiten«. Hoffnung und Gebet: »Komm, Herr, komm, komm!«
Schließlich sei da noch ein dritter Punkt: »den Trost bewahren«. Denn wenn es wahr sei, dass »der Trost stark ist«, so sei es auch wahr, dass er »nicht so stark bewahrt wird – das ist ein Moment –, doch er hinterlässt seine Spuren «. So komme das »Gedächtnis« ins Spiel. Wie dies das Volk Israel getan habe, als es befreit worden sei. Und wenn, so fragte sich Franziskus, »dieser starke Moment« der Begegnung und des Trostes dann »vorübergeht, was bleibt? Der Friede«, der »die letzte Stufe des Trostes« ist. Ein Zustand, der erkenntlich sei; denn man sagte »Schau, ein Mann, der in Frieden ist, eine Frau, die in Frieden ist«. So also »kann sich ein jeder von uns fragen: bin ich in Frieden? Bin ich in der Seele heiter und unbeschwert?«
Die Mahnung des Papstes lautete zum Schluss also, »den Herrn zu bitten, dass er uns diese auf die Erlösung hin ausgerichtete Spannung lehre, diesen Weg der Spannung«, zu dem der Psalm, die Rückkehr aus dem Exil kommentierend, sage: »Sie gehen hin unter Tränen und tragen den Samen zur Aussaat. Sie kommen wieder mit Jubel und bringen ihre Garben ein.« So die abschließende Hoffnung: »Der Herr schenke uns diese Gnade: die Tröstung erwarten, die geistliche Tröstung erkennen und den Trost bewahren.«
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