APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
IN DIE DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO UND DEN SÜDSUDAN
(Ökumenische Pilgerreise in den Südsudan)
[31. Januar - 5. Februar 2023]
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Gelände des Flughafens "N’Dolo"
Mittwoch, 1. Februar 2023
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Bandeko, bobóto [Schwestern und Brüder, Friede]
A/Bondeko [Geschwisterlichkeit]
Bondéko [Geschwisterlichkeit] A/ Esengo [Freude]
Esengo, Freude: die Freude, euch zu sehen und zu treffen, ist groß: Ich habe mich nach diesem Moment gesehnt – ein Jahr lang haben wir darauf gewartet! – danke, dass ihr hier seid!
Das Evangelium hat uns gerade erzählt, dass auch die Freude der Jünger am Osterabend groß war, und dass diese Freude ausbrach, »als sie den Herrn sahen« (Joh 20,20). In jener Atmosphäre der Freude und des Staunens spricht der Auferstandene zu den Seinen. Und was sagt er zu ihnen? Zunächst einmal diese Worte: »Friede sei mit euch!« (V. 19). Das ist eine Begrüßung, aber es ist mehr als eine Begrüßung: Es ist eine Übergabe. Denn der Friede, jener Friede, den die Engel in der Nacht von Betlehem angekündigt haben (vgl. Lk 2,14), jener Friede, den Jesus den Seinen zu hinterlassen versprochen hat (vgl. Joh 14,27), wird den Jüngern jetzt zum ersten Mal feierlich zugesprochen. Der Friede Jesu, der auch uns in jeder Messe geschenkt wird, ist österlich: Er kommt mit der Auferstehung, denn zuerst musste der Herr unsere Feinde, die Sünde und den Tod, besiegen und die Welt mit dem Vater versöhnen; er musste unsere Einsamkeit und unsere Verlassenheit erleben, in unsere Höllen herabsteigen und die Entfernung auf sich nehmen und überbrücken, die uns von Leben und Hoffnung trennte. Nun, da die Entfernung zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch aufgehoben ist, wird den Jüngern der Friede Jesu geschenkt.
Begeben wir uns also an ihre Seite. An jenem Tag waren sie völlig benommen wegen des Skandals des Kreuzes, innerlich verwundet, weil sie Jesus durch ihre Flucht im Stich gelassen hatten, enttäuscht über den Ausgang seiner Geschichte und voller Angst, so zu enden wie er. In ihnen herrschten Schuldgefühle, Frustration, Traurigkeit, Angst… Also, Jesus verkündet den Frieden, während in den Herzen der Jünger vieles zerbrochen ist, er verkündet das Leben, während sie den Tod in sich spüren. Mit anderen Worten: Der Friede Jesu kommt in dem Moment, in dem für sie alles zu Ende schien, in einem gänzlich unerwarteten und unverhofften Moment, als es keine Anzeichen von Frieden gab. So handelt der Herr: Er überrascht uns, er hält uns die Hand hin, wenn wir kurz davor sind unterzugehen, er richtet uns auf, wenn wir am Boden zerstört sind. Brüder und Schwestern, mit Jesus gewinnt das Böse nie die Oberhand, hat es nie das letzte Wort. »Denn er ist unser Friede« (Eph 2,14) und sein Friede siegt immer. Daher dürfen wir, die wir zu Jesus gehören, nicht zulassen, dass die Traurigkeit in uns obsiegt, wir dürfen nicht zulassen, dass sich Resignation und Fatalismus einschleichen. Auch wenn dieses Klima um uns herum vorherrscht, soll es für uns nicht so sein: In einer Welt, die von Gewalt und Krieg entmutigt ist, verhalten sich Christen wie Jesus. Er wiederholte den Jüngern fast eindringlich: Friede, Friese sei mit euch! (vgl. Joh 20,19.21); und wir sind aufgerufen, uns diese unverhoffte und prophetische Verkündigung des Herrn, die eine Verkündigung des Friedens ist, zu eigen zu machen und der Welt mitzuteilen.
Wir können uns jedoch fragen: Wie bewahrt und pflegt man den Frieden Jesu? Er selbst weist uns auf drei Quellen des Friedens hin, drei Quellen, um ihn weiter zu nähren. Diese sind die Vergebung, die Gemeinschaft und die Sendung.
Sehen wir uns die erste Quelle an: die Vergebung. Jesus sagt zu den Seinen: »Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen« (V. 23). Doch bevor er den Aposteln die Vollmacht zur Vergebung erteilt, vergibt er ihnen; nicht mit Worten, sondern mit einer Geste, der ersten, die der Auferstandene ihnen gegenüber vollzieht. „Er zeigte ihnen seine Hände und seine Seite“ (vgl. V. 20), heißt es im Evangelium. Er zeigt ihnen also die Wunden, er bietet sie ihnen dar, denn die Vergebung wird aus Wunden geboren. Sie entsteht, wenn die erlittenen Wunden keine Narben des Hasses hinterlassen, sondern zu einem Ort werden, an dem wir für andere Platz machen und ihre Schwächen annehmen. Dann werden Schwächen zu Chancen und Vergebung wird der Weg zum Frieden. Es geht nicht darum, alles hinter sich zu lassen, als ob nichts geschehen wäre, sondern darum, mit Liebe das eigene Herz für die anderen zu öffnen. So macht es Jesus: Angesichts des Elends derer, die ihn verleugnet und verlassen haben, zeigt er die Wunden und öffnet die Quelle der Barmherzigkeit. Er gebraucht nicht viele Worte, sondern öffnet sein verwundetes Herz, um uns zu sagen, dass er immer aus Liebe zu uns verwundet ist.
Brüder und Schwestern, wenn uns Schuld und Traurigkeit bedrücken, wenn die Dinge nicht gut laufen, dann wissen wir, wohin wir schauen müssen: auf die Wunden Jesu, der bereit ist, uns mit seiner verwundeten und unendlichen Liebe zu vergeben. Er kennt deine Wunden, er kennt die Wunden deines Landes, deines Volkes, deiner Erde! Es sind brennende Wunden, die ständig von Hass und Gewalt infiziert werden, während die Medizin der Gerechtigkeit und der Balsam der Hoffnung nie einzutreffen scheinen. Bruder, Schwester, Jesus leidet mit dir, er sieht die Wunden, die du in dir trägst und möchte dich trösten und heilen, indem er dir sein verwundetes Herz darbietet. Zu deinem Herzen spricht Gott erneut die Worte, die er heute durch den Propheten Jesaja gesprochen hat: Ich »will es heilen und führen, ihm […] wieder Trost schenken« (Jes 57,18).
Gemeinsam glauben wir heute, dass es mit Jesus immer die Möglichkeit gibt, Vergebung zu erfahren und neu zu beginnen, und auch die Kraft, uns selbst, anderen und der Geschichte zu verzeihen! Das wünscht Christus: uns mit seiner Vergebung zu salben, um uns den Frieden und den Mut zu geben, unsererseits zu vergeben, den Mut, eine große Amnestie des Herzens zu vollbringen. Wie gut tut es uns, unser Herz von Zorn, von Gewissensbissen, von allem Groll und aller Missgunst zu befreien! Liebe Freunde, möge heute der Augenblick der Gnade sein, um die Vergebung Jesu zu empfangen und zu leben! Möge es der rechte Augenblick für dich sein, der du eine schwere Last auf deinem Herzen trägst und es nötig hast, dass sie dir abgenommen wird, damit du wieder durchatmen kannst. Und es möge ein günstiger Augenblick für dich sein, der du dich in diesem Land Christ nennst, aber Gewalttaten begehst; zu dir sagt der Herr: „Leg die Waffen nieder, und nimm Erbarmen an“. Und zu allen Verwundeten und Unterdrückten dieses Volkes sagt er: „Habt keine Angst, eure Verletzungen in meine zu legen, eure Wunden in meine Wunden.“ Lasst uns das tun, Brüder und Schwestern. Habt keine Angst, das Kreuz von eurem Hals und aus euren Taschen zu nehmen, es in eure Hände zu legen und es nah an euer Herz zu bringen, um eure Wunden mit denen Jesu zu teilen. Wenn ihr wieder zu Hause seid, nehmt ruhig das Kruzifix, das ihr besitzt, und umarmt es. Geben wir Christus die Chance, unsere Herzen wieder zu heilen, werfen wir die Vergangenheit, jede Angst und Sorge auf Ihn. Wie schön ist es, die Türen des Herzens und des Hauses für seinen Frieden zu öffnen! Und warum nicht in euren Zimmern, auf eurer Kleidung und außerhalb eurer Häuser seine Worte Friede sei mit euch anbringen? Lasst sie sehen, sie werden eine Prophezeiung für das Land sein, der Segen des Herrn für diejenigen, die ihr trefft. Friede sei mit euch: Lassen wir uns von Gott vergeben und vergeben wir einander!
Sehen wir uns nun die zweite Quelle des Friedens an: die Gemeinschaft. Der auferstandene Jesus wendet sich nicht an die einzelnen Jünger, sondern begegnet ihnen gemeinsam: Er spricht zu ihnen im Plural, und übergibt seinen Frieden der ersten Gemeinschaft. Es gibt kein Christentum ohne Gemeinschaft, genauso wie es keinen Frieden ohne Geschwisterlichkeit gibt. Aber wohin soll man als Gemeinschaft unterwegs sein, wohin gehen, um Frieden zu finden? Blicken wir noch einmal auf die Jünger. Vor Ostern folgten sie Jesus nach, aber dachten immer noch auf zu menschliche Weise: Sie hofften auf einen Messias nach Art eines Eroberers, der die Feinde vertreiben, Wunder vollbringen und ihr Ansehen und ihren Erfolg vergrößern würde. Aber diese weltlichen Wünsche wurden nicht erfüllt, sie haben der Gemeinschaft sogar den Frieden genommen und Diskussionen und Konflikte verursacht (vgl. Lk 9,46; 22,24). Auch für uns besteht dieses Risiko: zusammen zu sein und doch allein weiter zu gehen, in der Gesellschaft aber auch in der Kirche Macht, Karriere, ehrgeizige Ziele zu verfolgen... Auf diese Weise folgt man jedoch seinem eigenen Ich statt dem wahren Gott und endet wie jene Jünger: zu Hause eingeschlossen, ohne Hoffnung und voller Angst und Enttäuschung. Doch an Ostern finden sie den Weg zum Frieden wieder, dank Jesus, der sie anhaucht und sagt: »Empfangt den Heiligen Geist!« (Joh 20,22). Dank des Heiligen Geistes werden sie nicht mehr auf das schauen, was sie trennt, sondern auf das, was sie eint; sie werden nicht mehr für sich selbst in die Welt hinausgehen, sondern für die anderen; nicht, um gesehen zu werden, sondern um Hoffnung zu geben; nicht, um Zustimmung zu finden, sondern um ihr Leben freudig für den Herrn und für andere hinzugeben.
Brüder und Schwestern, unsere Gefahr besteht darin, dem Geist der Welt zu folgen, statt dem Geist Christi. Und welches ist der Weg, um nicht in die Fallen von Macht und Geld zu tappen, um nicht den Spaltungstendenzen nachzugeben, den Verlockungen des Karrierismus, die die Gemeinschaft zersetzen, den falschen Illusionen des Vergnügens und der Hexerei, die einen in sich selbst verschließen? Der Herr deutet es uns noch einmal durch den Propheten Jesaja an, indem er sagt: »Ich bin auch bei dem Zerschlagenen und dem im Geist Niedrigen, um den Geist der Niedrigen wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben.« (Jes 57,15). Der Weg besteht darin, mit den Armen zu teilen: Das ist das beste Gegenmittel gegen die Versuchung, uns zu spalten und zu verweltlichen. Den Mut zu haben, die Armen anzusehen und ihnen zuzuhören, weil sie Mitglieder unserer Gemeinschaft sind und keine Fremden, die man aus den Augen und dem Bewusstsein verliert. Das Herz für andere zu öffnen, statt es angesichts unserer eigenen Probleme oder unserer eigenen Eitelkeit zu verschließen. Beginnen wir unseren Neuanfang bei den Armen und wir werden entdecken, dass wir alle eine innere Armut gemeinsam haben; dass wir alle des Geistes Gottes bedürfen, um uns vom Geist der Welt zu befreien; dass die Demut die Größe des Christen ausmacht und die Geschwisterlichkeit sein wahrer Reichtum ist. Glauben wir an die Gemeinschaft und bauen wir mit Gottes Hilfe an einer Kirche, die ohne weltlichen Geist und voll von Heiligem Geist ist, die frei ist von Reichtum für sich selbst und erfüllt von geschwisterlicher Liebe!
Kommen wir schließlich zur dritten Quelle des Friedens: unserer Sendung. Jesus sagt zu den Jüngern: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.« (Joh 20,21). Er sendet uns, wie der Vater ihn gesandt hat. Und wie hat der Vater ihn in die Welt gesandt? Er hat ihn gesandt, um zu dienen und sein Leben für die Menschen hinzugeben (vgl. Mk 10,45), um seine Barmherzigkeit zu offenbaren, die einem jedem gilt (vgl. Lk 15); um die Fernstehenden zu suchen (vgl. Mt 9,13). Mit einem Wort, er hat ihn für alle gesandt: nicht nur für die Gerechten, sondern für alle. In diesem Sinne klingen die Worte Jesajas nach: »Friede, Friede dem Fernen und dem Nahen, spricht der Herr« (Jes 57,19). Den Fernen, vor allem, und den Nahen: nicht nur den „Unsrigen“, sondern allen.
Brüder und Schwestern, wir sind dazu berufen, Missionare des Friedens zu sein, und dies wird uns Frieden geben. Das ist eine Entscheidung: Es bedeutet, in unseren Herzen Platz für alle zu schaffen, es bedeutet zu glauben, dass ethnische, regionale, soziale, religiöse und kulturelle Unterschiede nachgeordnet sind und kein Hindernis darstellen, dass die anderen Brüder und Schwestern sind, Mitglieder derselben menschlichen Gemeinschaft; dass ein jeder Adressat des Friedens ist, den Jesus in die Welt gebracht hat. Es bedeutet, daran zu glauben, dass wir Christen dazu aufgerufen sind, mit allen zusammenzuarbeiten, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und die Ränke des Hasses zu zerschlagen. Ja, die Christen, die von Christus gesandt sind, sind definitionsgemäß dazu aufgerufen, ein Friedensgewissen für die Welt zu sein: nicht nur kritische Gewissen, sondern vor allem Zeugen der Liebe; nicht Verfechter der eigenen Rechte, sondern derjenigen des Evangeliums: der Geschwisterlichkeit, der Liebe und der Vergebung; nicht Verfolger der eigenen Interessen, sondern Missionare der verrückten Liebe, die Gott für einen jeden Menschen hat.
Friede sei mit euch, sagt Jesus heute zu jeder Familie, Gemeinschaft und Ethnie, zu jedem Wohnviertel und zu jeder Stadt in diesem großen Land. Friede sei mit euch: Lassen wir diese Worte unseres Herrn in unseren Herzen, in der Stille widerhallen. Hören wir sie als an uns gerichtet und entscheiden wir uns dafür, Zeugen der Vergebung, aktive Glieder der Gemeinschaft, Menschen auf einer Mission für den Frieden in der Welt zu sein.
Moto azalí na matói ma koyoka [Wer Ohren hat zum Hören]
A/Ayoka [der höre]
Moto azalí na motéma mwa kondima[Wer ein Herz hat zum Zustimmen]
A/Andima [der stimme zu]
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