HOMILIE VON PAPST FRANZISKUS
Petersdom
Donnerstag, 29. Juni 2023
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Petrus und Paulus, zwei in den Herrn verliebte Apostel, zwei Säulen des Glaubens der Kirche. Und während wir über ihr Leben nachdenken, kommt das heutige Evangelium mit der Frage auf uns zu, die Jesus den Seinen stellt: »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« (Mt 16,15). Dies ist die grundlegende, die wichtigste Frage: Wer ist Jesus für mich? Wer ist Jesus in meinem Leben? Sehen wir uns an, wie die beiden Apostel auf diese Frage geantwortet haben.
Die Antwort des Petrus könnte man in einem Wort zusammenfassen: Nachfolge. Petrus hat in der Nachfolge des Herrn gelebt. Als Jesus an jenem Tag in Cäsarea Philippi die Jünger befragte, antwortete Petrus mit einem beeindruckenden Glaubensbekenntnis: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!« (Mt 16,16). Eine tadellose, präzise, treffende Antwort, wir könnten sagen, eine perfekte „Katechismus-Antwort“. Aber jene Antwort ist die Frucht eines Weges: Nur nachdem er das faszinierende Abenteuer erlebt hat, dem Herrn nachzufolgen, nachdem er lange Zeit mit ihm und hinter ihm her gegangen ist, erreicht Petrus jene geistige Reife, die ihn aus Gnade, aus reiner Gnade, zu einem so klaren Glaubensbekenntnis führt.
Eben der Evangelist Matthäus erzählt uns nämlich, dass alles begonnen hatte, als Jesus eines Tages am See von Galiläa entlangging und ihn zusammen mit seinem Bruder Andreas rief: »Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach« (Mt 4,20). Petrus verließ alles, um dem Herrn zu folgen. Und das Evangelium betont, dass er es „sofort“ tat: Petrus sagte zu Jesus nicht, dass er darüber nachdenken würde, er überlegte nicht, ob es ihm gelegen käme, er machte keine Ausreden geltend, um die Entscheidung aufzuschieben, sondern er ließ die Netze liegen und folgte ihm nach, ohne im Voraus nach einer Absicherung zu fragen. Er sollte dann alles von Tag zu Tag entdecken, in der Nachfolge, indem er Jesus folgen und hinter ihm her gehen würde. Und es ist kein Zufall, dass die letzten Worte, die Jesus in den Evangelien an ihn richtet, lauten: »Du folge mir nach!« (Joh 21,22), also die Nachfolge.
Petrus zeigt uns also, dass es nicht ausreicht, auf die Frage „Wer ist Jesus für mich?“ mit einer tadellosen Lehrformel zu antworten oder mit einer Vorstellung, die wir uns ein für alle Mal zurechtgelegt haben. Nein. Gerade indem wir uns in die Nachfolge des Herrn begeben, können wir ihn jeden Tag kennenlernen. Indem wir seine Jünger werden und sein Wort annehmen, werden wir seine Freunde und erfahren seine Liebe, die uns verwandelt. Dieses „sofort“ ergeht auch an uns: Auch wenn wir viele Dinge im Leben aufschieben können, die Nachfolge Jesu lässt sich nicht aufschieben; da dürfen wir nicht zögern, da dürfen wir keine Ausflüchte machen. Und seien wir vorsichtig, denn manche Vorwände sind als Spiritualität getarnt, wie wenn wir sagen: „Ich bin nicht würdig“, „Ich bin nicht fähig“, „Was kann ich schon tun?“. Das ist eine List des Teufels, der uns das Vertrauen in Gottes Gnade raubt und uns glauben lässt, dass alles von unseren Fähigkeiten abhängt.
Uns sofort von unseren Sicherheiten – irdischen Sicherheiten – lösen und Jesus jeden Tag nachfolgen: Das ist die Aufgabe, die Petrus uns heute stellt, indem er uns auffordert, Kirche in der Nachfolge zu sein; Kirche in der Nachfolge. Eine Kirche, die eine Jüngerin des Herrn und eine demütige Dienerin des Evangeliums sein möchte. Nur so wird sie in der Lage sein, mit allen zu sprechen und ein Ort der Begleitung, der Nähe und der Hoffnung für die Frauen und Männer unserer Zeit zu werden. Nur so werden auch diejenigen, die fernstehend sind und uns oft mit Misstrauen oder Gleichgültigkeit betrachten, schließlich mit Papst Benedikt erkennen können: »Die Kirche ist der Ort der Begegnung mit dem Sohn des lebendigen Gottes und somit der Ort der Begegnung unter uns« (Predigt am Zweiten Adventssonntag, 10. Dezember 2006).
Kommen wir jetzt zum Apostel der Völker. Wenn die Antwort des Petrus in der Nachfolge bestand, ist jene des Paulus die Verkündigung, die Verkündigung des Evangeliums. Auch für ihn begann alles durch Gnade, durch die Initiative des Herrn. Während er auf dem Weg nach Damaskus war und noch gefangen in seinen religiösen Überzeugungen mit Stolz die Christenverfolgung vorantrieb, kam der auferstandene Jesus auf ihn zu und blendete ihn mit seinem Licht, oder besser, dank dieses Lichts erkannte Saulus, wie blind er war: Eingeschlossen im Hochmut seiner starren Befolgung des Gesetzes, entdeckt er in Jesus die Erfüllung des Geheimnisses der Erlösung. Und im Vergleich mit der Erhabenheit der Erkenntnis Christi hält er fortan alle seine menschlichen und religiösen Sicherheiten für „Unrat“ (vgl. Phil 3,7-8). So widmet Paulus sein Leben dem Reisen über Land und Meer, durch Städte und Dörfer und scheut sich nicht, Entbehrungen und Verfolgung auf sich zu nehmen, um Jesus Christus zu verkünden. Wenn man auf seine Geschichte blickt, scheint es fast so, als ob er Jesus umso besser kennenlernt, je mehr er das Evangelium verkündet. Die Verkündigung des Wortes an die anderen ermöglicht es auch ihm, in die Tiefen des Geheimnisses Gottes vorzudringen. Er, Paulus, der schrieb: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9:16); er, der bekannte: »[…] für mich ist Christus das Leben« (Phil 1,21).
Paulus sagt uns also, dass auf die Frage „Wer ist Jesus für mich?“ nicht mit einer rein innerlichen Religiosität zu antworten ist, die uns von der Unruhe unbehelligt lässt, den anderen das Evangelium zu bringen. Der Apostel lehrt uns, dass wir im Glauben und in der Erkenntnis des Geheimnisses Christi umso mehr wachsen, desto mehr wir seine Verkünder und Zeugen sind. Und dies geschieht immer: Wenn wir evangelisieren, werden wir evangelisiert. Das ist eine alltägliche Erfahrung: Wenn wir evangelisieren, werden wir evangelisiert. Das Wort, das wir den anderen bringen, kommt zu uns zurück, denn in dem Maße, in dem wir geben, empfangen wir noch viel mehr (vgl. Lk 6,38). Und dies ist auch für die Kirche heute nötig: die Verkündigung in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Kirche zu sein, die nicht müde wird, immer wieder sich selbst zu sagen: „Für mich ist Christus das Leben“ und „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“. Eine Kirche, welche die Verkündigung braucht wie den Sauerstoff zum Atmen, die nicht leben kann, ohne die Umarmung der Liebe Gottes und die Freude des Evangeliums weiterzugeben.
Brüder und Schwestern, lasst uns Petrus und Paulus feiern. Sie haben die grundlegende Frage des Lebens – Wer ist Jesus für mich? – beantwortet, indem sie die Nachfolge gelebt und das Evangelium verkündet haben. Es ist schön, wenn wir als Kirche der Nachfolge wachsen, als eine demütige Kirche, welche die Suche nach dem Herrn nie als selbstverständlich ansieht. Es ist schön, wenn wir zugleich eine nach außen gerichtete Kirche werden, die ihre Freude nicht an den Dingen der Welt findet, sondern daran, der Welt das Evangelium zu verkünden, um die Frage nach Gott in die Herzen der Menschen zu säen. Jesus, den Herrn, überallhin zu bringen, mit Demut und Freude: in unsere Stadt Rom, in unsere Familien, in die Beziehungen und Nachbarschaften, in die Zivilgesellschaft, in die Kirche, in die Politik, in die ganze Welt, besonders dort, wo sich Armut, Erniedrigung und Ausgrenzung einnisten.
Und wenn heute einige unserer Brüder als Erzbischöfe das Pallium erhalten, das Zeichen der Gemeinschaft mit der Kirche von Rom ist, möchte ich ihnen sagen: Seid Apostel wie Petrus und Paulus. Seid Jünger in der Nachfolge und Apostel in der Verkündigung, tragt die Schönheit des Evangeliums überall hin, zusammen mit dem ganzen Volk Gottes. Und schließlich möchte ich der Delegation des Ökumenischen Patriarchats, die mein lieber Bruder Seine Heiligkeit Bartholomäus hierher entsandt hat, einen herzlichen Gruß entbieten. Danke für Eure Anwesenheit, danke: Lasst uns gemeinsam voranschreiten, lasst uns gemeinsam voranschreiten in der Nachfolge und in der Verkündigung des Wortes, und wachsen wir in der Geschwisterlichkeit. Mögen Petrus und Paulus uns begleiten und für uns alle eintreten.
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