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HEILIGE MESSE
VON KARDINAL MICHAEL CZERNY
VERLESENE PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Petersplatz
1. Sonntag der Fastenzeit, 9. März 2025
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Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt (Lk 4,1). Jedes Jahr beginnen wir unseren Weg durch die Fastenzeit, indem wir dem Herrn an diesen Ort folgen, den er für uns durchschreitet und verwandelt. Sobald Jesus die Wüste betritt, vollzieht sich nämlich eine entscheidende Veränderung: Der Ort der Stille wird zu einem Raum des Hörens. Eines Hörens, das auf die Probe gestellt wird, da man sich entscheiden muss, welcher der zwei völlig gegensätzlichen Stimmen man folgen möchte. Indem uns das Evangelium diese Übung anträgt, bezeugt es, dass der Weg Jesu mit einem Akt des Gehorsams beginnt: Es ist der Heilige Geist, die Kraft Gottes selbst, die ihn dorthin führt, wo nichts Gutes aus der Erde hervorsprießt oder vom Himmel herabregnet. In der Wüste erfährt der Mensch seine materielle und geistige Not, das Bedürfnis nach dem Brot und dem Wort.
Auch Jesus hat als wahrer Mensch Hunger (vgl. V. 2) und wird vierzig Tage lang von einem Wort in Versuchung geführt, das ganz und gar nicht vom Heiligen Geist kommt, sondern vom bösen Geist, vom Teufel. Denken wir zu Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit darüber nach, dass auch wir in Versuchung geraten, aber nicht allein sind: Mit uns ist Jesus, der uns den Weg durch die Wüste aufzeigt. Der Mensch gewordene Gottessohn begnügt sich nicht damit, uns ein Vorbild im Kampf gegen das Böse zu geben. Vielmehr gibt er uns die Kraft, dessen Attacken zu widerstehen und auf unserem Weg durchzuhalten.
Betrachten wir also drei Merkmale der Versuchung Jesu und auch unserer: ihren Beginn, ihre Art und Weise und ihren Ausgang. Indem wir diese beiden Erfahrungen vergleichen, werden wir auf unserem Weg der Bekehrung Halt finden.
Zunächst ist die Versuchung Jesu zu Beginn gewollt: Der Herr geht nicht aus Übermut in die Wüste, um zu zeigen, wie stark er ist, sondern aufgrund seiner kindlichen Ergebenheit gegenüber dem Geist des Vaters, dessen Führung er bereitwillig folgt. Für uns hingegen ist die Versuchung ein Widerfahrnis: Das Böse geht unserer Freiheit voraus, wie ein innerer Schatten und eine beständige Gefahr zersetzt es sie im Innersten. Wenn wir Gott bitten, uns in der Versuchung nicht zu verlassen (vgl. Mt 6,13), sollten wir daran denken, dass er dieses Gebet durch Jesus, das fleischgewordene Wort, bereits erhört hat, um immer bei uns zu bleiben. Der Herr ist uns nahe und nimmt sich unser an, vor allem in Zeiten der Prüfung und des Misstrauens, wenn der Versucher seine Stimme erhebt. Dieser ist der verdorbene und verderbende Vater der Lüge (vgl. Joh 8,44), weil er das Wort Gottes kennt, es aber nicht versteht. Im Gegenteil, er verdreht es: Wie bereits in den Tagen Adams im Garten Eden (vgl. Gen 3,1-5) wendet er sich nun in der Wüste gegen Jesus, den neuen Adam.
Hier begreifen wir die einzigartige Art und Weise, auf die Christus in Versuchung geführt wird, nämlich in Bezug auf seine Beziehung zu Gott, seinem Vater. Der Teufel ist derjenige, der trennt, der Spalter, während Jesus derjenige ist, der Gott und Mensch vereint, der Mittler. In seiner Perversion will der Teufel dieses Band zerstören, indem er Jesus zu einem Privilegierten macht: »Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden« (V. 3). Und weiter: »Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab« (V. 9), von der Zinne des Tempels. Angesichts dieser Versuchungen entscheidet Jesus, der Sohn Gottes, auf welche Weise er Sohn sein will. Im Geist, der ihn leitet, offenbart seine Entscheidung, wie er seine Kindesbeziehung zum Vater leben will. Und dies beschließt der Herr: Diese einzigartige und exklusive Verbindung mit Gott, dessen eingeborener Sohn er ist, wird zu einer Beziehung, die alle einschließt, ohne irgendjemanden auszuschließen. Die Beziehung zum Vater ist das Geschenk, das Jesus zu unserem Heil mit der Welt teilt. Sie ist nicht ein eifersüchtig gehüteter Schatz (vgl. Phil 2,6), mit dem man sich brüstet, um Erfolg zu haben und Anhänger zu gewinnen.
Auch wir werden in unserer Beziehung zu Gott in Versuchung geführt, aber in umgekehrter Weise. Denn der Teufel zischelt uns in die Ohren, dass Gott nicht wirklich unser Vater ist; dass er uns in Wirklichkeit im Stich gelassen hat. Satan will uns davon überzeugen, dass es für die Hungrigen kein Brot gibt, schon gar nicht mittels der Steine, und dass uns die Engel im Unglück nicht zu Hilfe kommen. Allenfalls befindet sich die Welt in den Händen böser Mächte, die die Völker durch die Arroganz ihrer Berechnungen und die Gewalt des Krieges erdrücken. Und gerade dann, wenn der Teufel uns glauben machen will, dass der Herr fern von uns ist und uns zur Verzweiflung bringen möchte, kommt Gott uns noch näher, indem er sein Leben zur Erlösung der Welt hingibt.
Und nun der dritte Aspekt: der Ausgang der Versuchungen. Jesus, der Gesalbte Gottes, bezwingt das Böse. Er drängt den Teufel zurück, der allerdings wiederkehren wird, um ihn »zur bestimmten Zeit« in Versuchung zu führen (V. 13). So heißt es im Evangelium und wir werden uns daran erinnern, wenn wir auf Golgota erneut hören, wie Jesus aufgefordert wird: »Wenn du Gottes Sohn bist, rette dich selbst und steig herab vom Kreuz« (Mt 27,40; vgl. Lk 23,35). In der Wüste wird der Versucher bezwungen, aber der Sieg Christi ist noch nicht endgültig. Dies wird an Ostern der Fall sein, durch seinen Tod und seine Auferstehung.
Und während wir uns darauf vorbereiten, das zentrale Glaubensgeheimnis zu feiern, erkennen wir, dass unsere Prüfung anders ausgeht. Wenn wir in Versuchung geraten, unterliegen wir zuweilen: Wir sind alle Sünder. Die Niederlage ist jedoch keine endgültige, denn Gott, der in seiner Liebe unermesslich ist, richtet uns nach jedem Sturz durch seine Vergebung wieder auf. Unsere Prüfung endet also nicht mit einem Scheitern, weil wir durch Christus vom Bösen erlöst werden. Indem wir zusammen mit ihm durch die Wüste gehen, beschreiten wir einen Weg, der überhaupt nicht vorgezeichnet war: Jesus selbst eröffnet uns diesen neuen Weg der Befreiung und der Erlösung. Indem wir dem Herrn im Glauben nachfolgen, werden wir von Vagabunden zu Pilgern.
Liebe Schwestern und Brüder, ich lade euch ein, unseren Weg durch die Fastenzeit auf diese Weise zu beginnen. Und da wir entlang des Weges jenen guten Willen brauchen, den der Heilige Geist stets fördert, grüße ich mit Freude alle Ehrenamtlichen, die anlässlich ihrer Heilig-Jahr-Wallfahrt heute in Rom sind. Ich danke euch sehr, meine Lieben, weil ihr nach dem Beispiel Jesu eurem Nächsten dient, ohne euch eures Nächsten zu bedienen. Euer Engagement auf den Straßen und dort, wo die Menschen zu Hause sind, an der Seite der Kranken, der Leidenden und der Gefangenen, bei den Jungen und den Alten, gibt der ganzen Gesellschaft Hoffnung. In den Wüsten der Armut und der Einsamkeit lassen die vielen kleinen Gesten selbstlosen Dienstes eine neue Menschlichkeit aufkeimen und erblühen: jenen Garten, den Gott sich erträumt hat und sich weiterhin für uns alle erträumt.
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