BEGEGNUNG MIT DER UMBRISCHEN JUGEND
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Platz vor der Basilika Santa Maria degli Angeli, Assisi
Freitag, 4. Oktober 2013
FRAGEN DER JUGENDLICHEN AN DEN HEILIGEN VATER
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1. FAMILIE: Nicola und Chiara Volpi (Perugia-Città della Pieve)
Wir jungen Menschen leben in einer Gesellschaft, wo das Wohlergehen, das Vergnügen, der Egoismus im Mittelpunkt stehen. Als junge Christen in die Ehe zu gehen, ist eine komplexe Erfahrung; sich dem Leben zu stellen eine Herausforderung, die oft Angst macht. Als junges Paar leben wir unsere Ehe mit Freude, machen aber auch die Erfahrung, wie mühsam es ist, den täglichen Anforderungen gerecht zu werden. Wie kann uns die Kirche helfen, wie können uns unsere Seelsorger unterstützen, was müssen wir selbst tun?
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2. ARBEIT: Danilo Zampolini (Spoleto-Norcia) und David Girolami (Foligno)
Die allgemeine Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat auch vielen Menschen in Umbrien Probleme und Armut gebracht. Die Zukunft scheint ungewiss und bedrohlich. Man riskiert, mit der wirtschaftlichen Sicherheit auch die Hoffnung zu verlieren. Wie soll ein junger Christ in die Zukunft blicken? Wie kann er sich am Bau einer Gesellschaft beteiligen, die Gottes und des Menschen würdig ist?
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3. BERUFUNG: Benedetto Fattorini (OrvietoTodi) und Maria Chiaroli (Terni-Narni-Amelia)
Was soll ich aus meinem Leben machen? Wie und wo die Talente einsetzen, die mir der Herr gegeben hat? Manchmal fasziniert uns der Gedanke an das Priestertum oder das Ordensleben. Doch dann kommt auch gleich Furcht auf. Denn ist es nicht eine Entscheidung »für immer«? Wie können wir den Ruf Gottes erkennen? Was raten Sie jungen Menschen, die ihr Leben in den Dienst Gottes und ihrer Mitmenschen stellen wollen?
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4. MISSION: Luca Nassuato (Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Tadino), Mirko Pierli (Città di Castello) und Petra Sannipoli (Gubbio)
Es ist schön, hier bei Ihnen sein zu dürfen und Ihre ermutigenden Worte zu hören, die das Herz erwärmen. Das Jahr des Glaubens, das in ein paar Wochen ausklingt, hat allen Gläubigen die Dringlichkeit der Verkündigung der Frohbotschaft ans Herz gelegt. Auch wir wären gerne Teil dieses fesselnden Abenteuers. Aber wie? Wie kann unser Beitrag aussehen? Was können wir tun?
ANTWORTEN DES HEILIGEN VATERS
Liebe junge Freunde aus Umbrien,
guten Abend!
Danke, dass ihr gekommen seid, danke für dieses Fest! Denn das ist es tatsächlich: ein Fest! Und danke auch für eure Fragen.
Es freut mich, dass die erste Frage von einem jungen Ehepaar gestellt wurde. Ein schönes Zeugnis! Junge Menschen, die voller Freude und Mut die Wahl, die Entscheidung, getroffen haben, eine Familie zu gründen. Ja, das stimmt wirklich: es gehört Mut dazu, eine Familie zu gründen! Eine ordentliche Portion Mut! Und die Frage, die ihr jungen Eheleute mir gestellt habt, schließt an die zur Berufung an. Denn was ist die Ehe? Eine richtige Berufung, genauso wie es das Priesteramt und das Ordensleben sind. Zwei Christen, die heiraten, haben in ihrer Liebesgeschichte den Ruf des Herrn erkannt; die Berufung, aus zwei Menschen, einem Mann und einer Frau, ein Fleisch, ein Leben werden zu lassen. Und das Sakrament der Ehe umhüllt diese Liebe mit der Gnade Gottes, verankert sie in Gott selbst. Dieses Geschenk, die Gewissheit dieses Rufes ist ein sicherer Ausgangspunkt, man braucht sich vor nichts zu fürchten; gemeinsam kann man alles bewältigen!
Nehmen wir unsere Eltern, unsere Groß- und Urgroßeltern: sie haben unter sehr viel ärmeren Bedingungen geheiratet, als wir sie heute haben, manche sogar im Krieg oder in der Nachkriegszeit. Einige von ihnen sind ausgewandert, wie meine Eltern. Wo haben sie bloß die Kraft dazu gefunden? Sie haben sie in der Gewissheit gefunden, dass der Herr bei ihnen war, dass Gott die Familie mit dem Sakrament der Ehe gesegnet hat, und dass auch die Sendung, Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, gesegnet ist. Mit dieser Gewissheit konnten sie auch die schwersten Prüfungen bestehen. Es waren einfache, aber wahre Gewissheiten; und diese Gewissheiten bildeten die Säulen, auf die sich ihre Liebe stützte. Sie hatten kein einfaches Leben; es gab Probleme, viele Probleme. Aber diese einfachen Gewissheiten halfen ihnen, weiterzumachen. Und so ist es ihnen gelungen, eine schöne Familie zu gründen, Leben zu schenken, ihre Kinder zu erziehen.
Liebe Freunde, nur auf diesem moralischen und spirituellen Fundament lässt sich gut und solide bauen! Diese Grundlage wird heute von den Familien und der sozialen Tradition nicht mehr gewährleistet. Im Gegenteil: die Gesellschaft, in die ihr hineingeboren wurdet, tritt nicht mehr für die Familie ein, sondern für die individuellen Rechte – die Rechte des Individuums –; sie gibt Beziehungen den Vorzug, die nur solange dauern, bis die ersten Schwierigkeiten auftauchen.
Und daher spricht sie von Zweierbeziehungen, von Familie und von Ehe oft auch auf oberflächliche, ja zweideutige Weise. Man muss sich nur gewisse Fernsehsendungen ansehen, dann sieht man, welche Werte das sind! Wie oft hören Priester – und das ist auch mir passiert –, wenn sie zu jungen Paaren, die heiraten wollen, sagen: »Euch ist klar, dass die Ehe für ein ganzes Leben ist?«, die Antwort: »Na ja, wir lieben uns schon, aber… wir bleiben solange zusammen wie die Liebe hält. Und wenn sie erlischt, dann gehen wir eben wieder getrennte Wege«. Das ist purer Egoismus: wenn ich nichts mehr fühle, dann breche ich die Ehe ab und vergesse einfach, dass wir »ein Fleisch« sind, das nicht getrennt werden kann. Es ist riskant, zu heiraten: sehr riskant! Es ist dieser Egoismus, der uns bedroht, weil wir alle die Möglichkeit einer doppelten Persönlichkeit in uns tragen: jene, die sagt: »Ich bin frei und ich will das…«, und die andere sagt: »Ich, mich, mir, mit mir, für mich …«. Immer dieser Egoismus, der uns wieder und wieder packt und nicht zulässt, dass wir uns den anderen öffnen. Das andere Problem ist die Kultur des Provisorischen: es scheint, als wäre nichts endgültig. Alles ist provisorisch. Wie ich bereits gesagt habe: solange die Liebe dauert. Einmal habe ich gehört, wie ein Seminarist – ein sehr guter übrigens – sagte: »Ich will Priester werden, aber nur für zehn Jahre. Dann überlege ich es mir wieder«. Das ist die Kultur des Provisorischen, aber Jesus hat uns nicht provisorisch gerettet: er hat uns endgültig gerettet! Doch der Heilige Geist hat immer wieder neue Antworten auf die neuen Herausforderungen!
Und so hat die Kirche viele neue Möglichkeiten für verlobte Paare gefunden: Ehevorbereitungskurse, Gruppen junger Paare in den Pfarreien, Familienbewegungen … Sie sind ein unermesslicher Reichtum! Und sie sind Bezugspunkte für alle: Jugendliche, die auf der Suche sind, Paare, die gerade eine Krise durchmachen, Eltern, die mit ihren Kindern nicht mehr zurechtkommen, und umgekehrt. Sie helfen uns alle! Dann gibt es noch die verschiedenen Formen, sich anderer anzunehmen: Pflegschaft, Adoption, Wohnheime der Jugendfürsorge … Die Phantasie – ich gebrauche dieses Wort ganz bewusst – die Phantasie des Heiligen Geistes kennt keine Grenzen, aber sie ist auch überaus konkret! Und so möchte ich euch sagen, dass ihr keine Furcht davor haben dürft, endgültige Schritte zu tun: lasst euch nicht einschüchtern! Wie oft habe ich von Müttern gehört: »Pater, mein Sohn ist jetzt schon dreißig und noch immer nicht verheiratet: was soll ich bloß tun? Er hat eine sehr hübsche Freundin, aber er entscheidet sich nicht!«. Gute Frau, hören Sie einfach auf, seine Hemden zu bügeln! So ist das! Man darf keine Furcht davor haben, endgültige Schritte wie den der Ehe zu tun: vertieft eure Liebe, respektiert ihre Zeiten, ihre Ausdrucksformen, betet, bereitet euch gut vor, aber vertraut auch darauf, dass euch der Herr nicht allein lässt! Lasst ihn eintreten in euer Zuhause wie ein Mitglied eurer Familie; Er wird euch immer zur Seite stehen.
Die Familie ist die Berufung, die Gott in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben hat, aber außer der Ehe gibt es noch eine andere, zusätzliche Berufung: den Ruf zum Zölibat und zur Jungfräulichkeit für das Himmelreich. Das ist die Berufung, die Jesus gelebt hat. Aber wie erkennt man sie? Wie kann man ihr folgen? Das ist die dritte Frage, die ihr mir gestellt habt. Der ein oder andere von euch mag nun denken: dieser Bischof da, der ist wirklich gut! Da stellen wir ihm eine Frage, und schon hat er die Antwort parat, und das sogar schriftlich! Ich habe eure Fragen vor ein paar Tagen erhalten, deshalb kenne ich sie schon. Und ich antworte euch, indem ich euch zwei wichtige Anregungen dafür gebe, wie man die Berufung zum Priesteramt oder zum Ordensleben erkennen kann. Indem man in der Kirche betet und in ihr bleibt. Diese beiden Dinge gehören zusammen, sie sind miteinander verflochten.
Am Anfang jeder Berufung zum geweihten Leben steht immer eine starke Gotteserfahrung, eine Erfahrung, die man nicht vergisst, an die man sich das ganze Leben lang erinnern wird! Diese Erfahrung hat Franziskus gemacht. Und das können wir weder einkalkulieren noch planen. Gott überrascht uns immer wieder! Gott ist es, der ruft; aber es ist wichtig, eine tägliche Beziehung zu ihm zu haben, ihm zu lauschen in der Stille vor dem Tabernakel, in uns hinein zu hören, mit ihm zu sprechen, die Sakramente zu empfangen. Wenn wir eine derart vertraute Beziehung zu Gott haben, dann ist es, als ließen wir das Fenster unseres Lebens offen, damit Er uns seine Stimme vernehmen lässt, uns sagt, was er von uns will.
Es wäre schön, eure Geschichten zu hören, die der hier anwesenden Priester, der Ordensfrauen… Das wäre wirklich schön, weil jede Geschichte einzigartig ist, aber doch alle ausgehen von einer Begegnung, die unser Innerstes erhellt, das Herz rührt, ja die ganze Person einnimmt: das Herz, den Verstand, die Sinne, einfach alles! Die Beziehung zu Gott betrifft nicht nur einen Teil von uns, sie betrifft alles. Und diese Liebe ist so groß, so schön und so wahr, dass sie alles verdient, unser ganzes Vertrauen. Eines möchte ich mit Nachdruck betonen, ganz besonders heute: die Jungfräulichkeit für das Himmelreich ist kein »Nein«, sondern ein »Ja«! Gewiss, sie bringt den Verzicht auf eine Ehe und eine eigene Familie mit sich, aber am Anfang steht doch das »Ja«, als Antwort auf das bedingungslose »Ja«, das Christus zu uns sagt, und dieses »Ja« macht fruchtbar. Aber hier in Assisi bedarf es keiner Worte! Hier ist Franziskus, hier ist Klara, und sie sprechen! Ihr Charisma spricht noch heute zu so vielen jungen Menschen auf der ganzen Welt: jungen Männern und Frauen, die alles hinter sich lassen, um Jesus nachzufolgen auf dem Weg des Evangeliums.
Ja, das Evangelium. Mit dem Wort »Evangelium « möchte ich die anderen beiden Fragen beantworten, die ihr mir gestellt habt, die zweite und die vierte. Eine betrifft das soziale Engagement, in dieser Zeit der Krise, die die Hoffnung untergräbt; die andere betrifft die Evangelisierung, das Hinaustragen der Verkündigung Jesu zu den anderen. Ihr habt mich gefragt: was können wir tun? Wie kann unser Beitrag aussehen? Hier in Assisi, bei der Portiunkula, da scheint mir, als würde ich die Stimme des Franziskus hören, der ruft: »Evangelium, Evangelium!«. Und das sagt er auch zu mir, ja, vor allem zu mir: Papst Franziskus, sei Diener des Evangeliums! Wenn es mir nicht gelingt, ein Diener des Evangeliums zu sein, dann ist mein Leben wertlos!
Aber das Evangelium, liebe Freunde, betrifft nicht nur die Religion, es betrifft den Menschen, den ganzen Menschen, es betrifft die Welt, die Gesellschaft, die menschliche Zivilisation. Das Evangelium ist die Heilsbotschaft Gottes für die Menschheit. Aber wenn wir »Heilsbotschaft« sagen, dann ist das nicht nur eine Floskel, nicht nur ein einfaches, leeres Wort, wie es heute so viele gibt! Die Menschheit bedarf dringend der Rettung!
Das sehen wir jeden Tag, wenn wir Zeitung lesen, wenn wir uns die Nachrichten im Fernsehen ansehen; aber wir sehen es auch in unserem Umfeld, in den Personen, den Situationen; und wir sehen es an uns selbst! Jeder von uns bedarf der Rettung! Alleine schaffen wir es nicht! Wir bedürfen der Rettung! Rettung wovor? Vor dem Bösen. Das Böse ist am Wirken, es tut seine Arbeit. Aber das Böse ist nicht unbesiegbar, und ein Christ gibt sich nicht geschlagen, wenn er mit dem Bösen konfrontiert wird. Und ihr, junge Freunde, wollt ihr euch geschlagen geben, wenn ihr mit dem Bösen, mit Unrecht und mit Schwierigkeiten zu kämpfen habt? Wollt ihr, oder wollt ihr nicht? [Die Jugendlichen rufen: Nein!] Ah, sehr gut. Das hört man gern! Unser Geheimnis ist, dass Gott größer ist als das Böse: und das stimmt! Gott ist größer als das Böse. Gott ist unendliche Liebe, grenzenlose Barmherzigkeit, und diese Liebe hat das Böse an der Wurzel besiegt im Tod und in der Auferstehung Christi. Das ist das Evangelium, die Frohbotschaft: Die Liebe Gottes hat gesiegt! Christus ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben und auferstanden von den Toten. Mit ihm können wir gegen das Böse kämpfen und es jeden Tag besiegen. Das glauben wir doch, oder? [Die Jugendlichen rufen: Ja!] Aber dieses »Ja« müssen wir in unser Leben hineintragen! Wenn ich glaube, dass Jesus das Böse besiegt hat und mich rettet, dann muss ich Jesus nachfolgen, muss den Weg Jesu gehen, mein ganzes Leben lang.
Und dann hat das Evangelium, diese Botschaft des Heils, zwei Bestimmungen, die miteinander verflochten sind: zunächst einmal die, den Glauben zu wecken – das tut die Evangelisierung. Dann noch die, die Welt nach dem Plan Gottes umzuformen – und das tut das christliche Wirken in der Gesellschaft. Aber das sind nicht zwei getrennte Dinge, es ist eine einzige Sendung: das Evangelium mit dem Zeugnis unseres Lebens hinauszutragen, verändert die Welt! Das ist der Weg: das Evangelium zu bringen mit dem Zeugnis unseres Lebens.
Nehmen wir Franziskus: er hat beides getan, einzig mit der Kraft des Evangeliums. Franziskus hat den Glauben wachsen lassen, er hat die Kirche erneuert. Und gleichzeitig hat er auch die Gesellschaft erneuert, sie brüderlicher gemacht, aber stets mit dem Evangelium, mit dem Zeugnis.
Wisst ihr, was Franziskus einmal zu seinen Mitbrüdern gesagt hat? »Werdet nie müde, das Evangelium zu predigen, und wenn es sein muss, auch mit Worten!«. Was soll denn das heißen? Kann man das Evangelium auch ohne Worte predigen? Aber ja! Mit dem Zeugnis! Zuerst kommt das Zeugnis, dann die Worte! Auf das Zeugnis kommt es an!
Liebe Jugendliche Umbriens: macht auch ihr es so! Heute sage ich auch im Namen des hl. Franziskus: ich kann euch weder Gold noch Silber geben, aber ich habe etwas viel Wertvolleres: das Evangelium Jesu. Geht mutig voran! Mit dem Evangelium im Herzen und in den Händen. Bezeugt den Glauben mit eurem Leben: bringt Christus in eure Häuser, verkündigt ihn in eurem Freundeskreis, nehmt ihn auf und dient ihm in den Armen. Liebe junge Freunde, bringt Umbrien eine Botschaft des Lebens, des Friedens und der Hoffnung! Ihr könnt es schaffen!
[Gebet des Vaterunser und Segen]
Und gewährt mir noch eine Bitte: betet für mich!
BEGEGNUNG MIT DER UMBRISCHEN JUGEND
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Platz vor der Basilika Santa Maria degli Angeli, Assisi
Freitag, 4. Oktober 2013
FRAGEN DER JUGENDLICHEN AN DEN HEILIGEN VATER
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1. FAMILIE: Nicola und Chiara Volpi (Perugia-Città della Pieve)
Wir jungen Menschen leben in einer Gesellschaft, wo das Wohlergehen, das Vergnügen, der Egoismus im Mittelpunkt stehen. Als junge Christen in die Ehe zu gehen, ist eine komplexe Erfahrung; sich dem Leben zu stellen eine Herausforderung, die oft Angst macht. Als junges Paar leben wir unsere Ehe mit Freude, machen aber auch die Erfahrung, wie mühsam es ist, den täglichen Anforderungen gerecht zu werden. Wie kann uns die Kirche helfen, wie können uns unsere Seelsorger unterstützen, was müssen wir selbst tun?
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2. ARBEIT: Danilo Zampolini (Spoleto-Norcia) und David Girolami (Foligno)
Die allgemeine Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat auch vielen Menschen in Umbrien Probleme und Armut gebracht. Die Zukunft scheint ungewiss und bedrohlich. Man riskiert, mit der wirtschaftlichen Sicherheit auch die Hoffnung zu verlieren. Wie soll ein junger Christ in die Zukunft blicken? Wie kann er sich am Bau einer Gesellschaft beteiligen, die Gottes und des Menschen würdig ist?
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3. BERUFUNG: Benedetto Fattorini (OrvietoTodi) und Maria Chiaroli (Terni-Narni-Amelia)
Was soll ich aus meinem Leben machen? Wie und wo die Talente einsetzen, die mir der Herr gegeben hat? Manchmal fasziniert uns der Gedanke an das Priestertum oder das Ordensleben. Doch dann kommt auch gleich Furcht auf. Denn ist es nicht eine Entscheidung »für immer«? Wie können wir den Ruf Gottes erkennen? Was raten Sie jungen Menschen, die ihr Leben in den Dienst Gottes und ihrer Mitmenschen stellen wollen?
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4. MISSION: Luca Nassuato (Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Tadino), Mirko Pierli (Città di Castello) und Petra Sannipoli (Gubbio)
Es ist schön, hier bei Ihnen sein zu dürfen und Ihre ermutigenden Worte zu hören, die das Herz erwärmen. Das Jahr des Glaubens, das in ein paar Wochen ausklingt, hat allen Gläubigen die Dringlichkeit der Verkündigung der Frohbotschaft ans Herz gelegt. Auch wir wären gerne Teil dieses fesselnden Abenteuers. Aber wie? Wie kann unser Beitrag aussehen? Was können wir tun?
ANTWORTEN DES HEILIGEN VATERS
Liebe junge Freunde aus Umbrien,
guten Abend!
Danke, dass ihr gekommen seid, danke für dieses Fest! Denn das ist es tatsächlich: ein Fest! Und danke auch für eure Fragen.
Es freut mich, dass die erste Frage von einem jungen Ehepaar gestellt wurde. Ein schönes Zeugnis! Junge Menschen, die voller Freude und Mut die Wahl, die Entscheidung, getroffen haben, eine Familie zu gründen. Ja, das stimmt wirklich: es gehört Mut dazu, eine Familie zu gründen! Eine ordentliche Portion Mut! Und die Frage, die ihr jungen Eheleute mir gestellt habt, schließt an die zur Berufung an. Denn was ist die Ehe? Eine richtige Berufung, genauso wie es das Priesteramt und das Ordensleben sind. Zwei Christen, die heiraten, haben in ihrer Liebesgeschichte den Ruf des Herrn erkannt; die Berufung, aus zwei Menschen, einem Mann und einer Frau, ein Fleisch, ein Leben werden zu lassen. Und das Sakrament der Ehe umhüllt diese Liebe mit der Gnade Gottes, verankert sie in Gott selbst. Dieses Geschenk, die Gewissheit dieses Rufes ist ein sicherer Ausgangspunkt, man braucht sich vor nichts zu fürchten; gemeinsam kann man alles bewältigen!
Nehmen wir unsere Eltern, unsere Groß- und Urgroßeltern: sie haben unter sehr viel ärmeren Bedingungen geheiratet, als wir sie heute haben, manche sogar im Krieg oder in der Nachkriegszeit. Einige von ihnen sind ausgewandert, wie meine Eltern. Wo haben sie bloß die Kraft dazu gefunden? Sie haben sie in der Gewissheit gefunden, dass der Herr bei ihnen war, dass Gott die Familie mit dem Sakrament der Ehe gesegnet hat, und dass auch die Sendung, Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, gesegnet ist. Mit dieser Gewissheit konnten sie auch die schwersten Prüfungen bestehen. Es waren einfache, aber wahre Gewissheiten; und diese Gewissheiten bildeten die Säulen, auf die sich ihre Liebe stützte. Sie hatten kein einfaches Leben; es gab Probleme, viele Probleme. Aber diese einfachen Gewissheiten halfen ihnen, weiterzumachen. Und so ist es ihnen gelungen, eine schöne Familie zu gründen, Leben zu schenken, ihre Kinder zu erziehen.
Liebe Freunde, nur auf diesem moralischen und spirituellen Fundament lässt sich gut und solide bauen! Diese Grundlage wird heute von den Familien und der sozialen Tradition nicht mehr gewährleistet. Im Gegenteil: die Gesellschaft, in die ihr hineingeboren wurdet, tritt nicht mehr für die Familie ein, sondern für die individuellen Rechte – die Rechte des Individuums –; sie gibt Beziehungen den Vorzug, die nur solange dauern, bis die ersten Schwierigkeiten auftauchen.
Und daher spricht sie von Zweierbeziehungen, von Familie und von Ehe oft auch auf oberflächliche, ja zweideutige Weise. Man muss sich nur gewisse Fernsehsendungen ansehen, dann sieht man, welche Werte das sind! Wie oft hören Priester – und das ist auch mir passiert –, wenn sie zu jungen Paaren, die heiraten wollen, sagen: »Euch ist klar, dass die Ehe für ein ganzes Leben ist?«, die Antwort: »Na ja, wir lieben uns schon, aber… wir bleiben solange zusammen wie die Liebe hält. Und wenn sie erlischt, dann gehen wir eben wieder getrennte Wege«. Das ist purer Egoismus: wenn ich nichts mehr fühle, dann breche ich die Ehe ab und vergesse einfach, dass wir »ein Fleisch« sind, das nicht getrennt werden kann. Es ist riskant, zu heiraten: sehr riskant! Es ist dieser Egoismus, der uns bedroht, weil wir alle die Möglichkeit einer doppelten Persönlichkeit in uns tragen: jene, die sagt: »Ich bin frei und ich will das…«, und die andere sagt: »Ich, mich, mir, mit mir, für mich …«. Immer dieser Egoismus, der uns wieder und wieder packt und nicht zulässt, dass wir uns den anderen öffnen. Das andere Problem ist die Kultur des Provisorischen: es scheint, als wäre nichts endgültig. Alles ist provisorisch. Wie ich bereits gesagt habe: solange die Liebe dauert. Einmal habe ich gehört, wie ein Seminarist – ein sehr guter übrigens – sagte: »Ich will Priester werden, aber nur für zehn Jahre. Dann überlege ich es mir wieder«. Das ist die Kultur des Provisorischen, aber Jesus hat uns nicht provisorisch gerettet: er hat uns endgültig gerettet! Doch der Heilige Geist hat immer wieder neue Antworten auf die neuen Herausforderungen!
Und so hat die Kirche viele neue Möglichkeiten für verlobte Paare gefunden: Ehevorbereitungskurse, Gruppen junger Paare in den Pfarreien, Familienbewegungen … Sie sind ein unermesslicher Reichtum! Und sie sind Bezugspunkte für alle: Jugendliche, die auf der Suche sind, Paare, die gerade eine Krise durchmachen, Eltern, die mit ihren Kindern nicht mehr zurechtkommen, und umgekehrt. Sie helfen uns alle! Dann gibt es noch die verschiedenen Formen, sich anderer anzunehmen: Pflegschaft, Adoption, Wohnheime der Jugendfürsorge … Die Phantasie – ich gebrauche dieses Wort ganz bewusst – die Phantasie des Heiligen Geistes kennt keine Grenzen, aber sie ist auch überaus konkret! Und so möchte ich euch sagen, dass ihr keine Furcht davor haben dürft, endgültige Schritte zu tun: lasst euch nicht einschüchtern! Wie oft habe ich von Müttern gehört: »Pater, mein Sohn ist jetzt schon dreißig und noch immer nicht verheiratet: was soll ich bloß tun? Er hat eine sehr hübsche Freundin, aber er entscheidet sich nicht!«. Gute Frau, hören Sie einfach auf, seine Hemden zu bügeln! So ist das! Man darf keine Furcht davor haben, endgültige Schritte wie den der Ehe zu tun: vertieft eure Liebe, respektiert ihre Zeiten, ihre Ausdrucksformen, betet, bereitet euch gut vor, aber vertraut auch darauf, dass euch der Herr nicht allein lässt! Lasst ihn eintreten in euer Zuhause wie ein Mitglied eurer Familie; Er wird euch immer zur Seite stehen.
Die Familie ist die Berufung, die Gott in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben hat, aber außer der Ehe gibt es noch eine andere, zusätzliche Berufung: den Ruf zum Zölibat und zur Jungfräulichkeit für das Himmelreich. Das ist die Berufung, die Jesus gelebt hat. Aber wie erkennt man sie? Wie kann man ihr folgen? Das ist die dritte Frage, die ihr mir gestellt habt. Der ein oder andere von euch mag nun denken: dieser Bischof da, der ist wirklich gut! Da stellen wir ihm eine Frage, und schon hat er die Antwort parat, und das sogar schriftlich! Ich habe eure Fragen vor ein paar Tagen erhalten, deshalb kenne ich sie schon. Und ich antworte euch, indem ich euch zwei wichtige Anregungen dafür gebe, wie man die Berufung zum Priesteramt oder zum Ordensleben erkennen kann. Indem man in der Kirche betet und in ihr bleibt. Diese beiden Dinge gehören zusammen, sie sind miteinander verflochten.
Am Anfang jeder Berufung zum geweihten Leben steht immer eine starke Gotteserfahrung, eine Erfahrung, die man nicht vergisst, an die man sich das ganze Leben lang erinnern wird! Diese Erfahrung hat Franziskus gemacht. Und das können wir weder einkalkulieren noch planen. Gott überrascht uns immer wieder! Gott ist es, der ruft; aber es ist wichtig, eine tägliche Beziehung zu ihm zu haben, ihm zu lauschen in der Stille vor dem Tabernakel, in uns hinein zu hören, mit ihm zu sprechen, die Sakramente zu empfangen. Wenn wir eine derart vertraute Beziehung zu Gott haben, dann ist es, als ließen wir das Fenster unseres Lebens offen, damit Er uns seine Stimme vernehmen lässt, uns sagt, was er von uns will.
Es wäre schön, eure Geschichten zu hören, die der hier anwesenden Priester, der Ordensfrauen… Das wäre wirklich schön, weil jede Geschichte einzigartig ist, aber doch alle ausgehen von einer Begegnung, die unser Innerstes erhellt, das Herz rührt, ja die ganze Person einnimmt: das Herz, den Verstand, die Sinne, einfach alles! Die Beziehung zu Gott betrifft nicht nur einen Teil von uns, sie betrifft alles. Und diese Liebe ist so groß, so schön und so wahr, dass sie alles verdient, unser ganzes Vertrauen. Eines möchte ich mit Nachdruck betonen, ganz besonders heute: die Jungfräulichkeit für das Himmelreich ist kein »Nein«, sondern ein »Ja«! Gewiss, sie bringt den Verzicht auf eine Ehe und eine eigene Familie mit sich, aber am Anfang steht doch das »Ja«, als Antwort auf das bedingungslose »Ja«, das Christus zu uns sagt, und dieses »Ja« macht fruchtbar. Aber hier in Assisi bedarf es keiner Worte! Hier ist Franziskus, hier ist Klara, und sie sprechen! Ihr Charisma spricht noch heute zu so vielen jungen Menschen auf der ganzen Welt: jungen Männern und Frauen, die alles hinter sich lassen, um Jesus nachzufolgen auf dem Weg des Evangeliums.
Ja, das Evangelium. Mit dem Wort »Evangelium « möchte ich die anderen beiden Fragen beantworten, die ihr mir gestellt habt, die zweite und die vierte. Eine betrifft das soziale Engagement, in dieser Zeit der Krise, die die Hoffnung untergräbt; die andere betrifft die Evangelisierung, das Hinaustragen der Verkündigung Jesu zu den anderen. Ihr habt mich gefragt: was können wir tun? Wie kann unser Beitrag aussehen? Hier in Assisi, bei der Portiunkula, da scheint mir, als würde ich die Stimme des Franziskus hören, der ruft: »Evangelium, Evangelium!«. Und das sagt er auch zu mir, ja, vor allem zu mir: Papst Franziskus, sei Diener des Evangeliums! Wenn es mir nicht gelingt, ein Diener des Evangeliums zu sein, dann ist mein Leben wertlos!
Aber das Evangelium, liebe Freunde, betrifft nicht nur die Religion, es betrifft den Menschen, den ganzen Menschen, es betrifft die Welt, die Gesellschaft, die menschliche Zivilisation. Das Evangelium ist die Heilsbotschaft Gottes für die Menschheit. Aber wenn wir »Heilsbotschaft« sagen, dann ist das nicht nur eine Floskel, nicht nur ein einfaches, leeres Wort, wie es heute so viele gibt! Die Menschheit bedarf dringend der Rettung!
Das sehen wir jeden Tag, wenn wir Zeitung lesen, wenn wir uns die Nachrichten im Fernsehen ansehen; aber wir sehen es auch in unserem Umfeld, in den Personen, den Situationen; und wir sehen es an uns selbst! Jeder von uns bedarf der Rettung! Alleine schaffen wir es nicht! Wir bedürfen der Rettung! Rettung wovor? Vor dem Bösen. Das Böse ist am Wirken, es tut seine Arbeit. Aber das Böse ist nicht unbesiegbar, und ein Christ gibt sich nicht geschlagen, wenn er mit dem Bösen konfrontiert wird. Und ihr, junge Freunde, wollt ihr euch geschlagen geben, wenn ihr mit dem Bösen, mit Unrecht und mit Schwierigkeiten zu kämpfen habt? Wollt ihr, oder wollt ihr nicht? [Die Jugendlichen rufen: Nein!] Ah, sehr gut. Das hört man gern! Unser Geheimnis ist, dass Gott größer ist als das Böse: und das stimmt! Gott ist größer als das Böse. Gott ist unendliche Liebe, grenzenlose Barmherzigkeit, und diese Liebe hat das Böse an der Wurzel besiegt im Tod und in der Auferstehung Christi. Das ist das Evangelium, die Frohbotschaft: Die Liebe Gottes hat gesiegt! Christus ist für unsere Sünden am Kreuz gestorben und auferstanden von den Toten. Mit ihm können wir gegen das Böse kämpfen und es jeden Tag besiegen. Das glauben wir doch, oder? [Die Jugendlichen rufen: Ja!] Aber dieses »Ja« müssen wir in unser Leben hineintragen! Wenn ich glaube, dass Jesus das Böse besiegt hat und mich rettet, dann muss ich Jesus nachfolgen, muss den Weg Jesu gehen, mein ganzes Leben lang.
Und dann hat das Evangelium, diese Botschaft des Heils, zwei Bestimmungen, die miteinander verflochten sind: zunächst einmal die, den Glauben zu wecken – das tut die Evangelisierung. Dann noch die, die Welt nach dem Plan Gottes umzuformen – und das tut das christliche Wirken in der Gesellschaft. Aber das sind nicht zwei getrennte Dinge, es ist eine einzige Sendung: das Evangelium mit dem Zeugnis unseres Lebens hinauszutragen, verändert die Welt! Das ist der Weg: das Evangelium zu bringen mit dem Zeugnis unseres Lebens.
Nehmen wir Franziskus: er hat beides getan, einzig mit der Kraft des Evangeliums. Franziskus hat den Glauben wachsen lassen, er hat die Kirche erneuert. Und gleichzeitig hat er auch die Gesellschaft erneuert, sie brüderlicher gemacht, aber stets mit dem Evangelium, mit dem Zeugnis.
Wisst ihr, was Franziskus einmal zu seinen Mitbrüdern gesagt hat? »Werdet nie müde, das Evangelium zu predigen, und wenn es sein muss, auch mit Worten!«. Was soll denn das heißen? Kann man das Evangelium auch ohne Worte predigen? Aber ja! Mit dem Zeugnis! Zuerst kommt das Zeugnis, dann die Worte! Auf das Zeugnis kommt es an!
Liebe Jugendliche Umbriens: macht auch ihr es so! Heute sage ich auch im Namen des hl. Franziskus: ich kann euch weder Gold noch Silber geben, aber ich habe etwas viel Wertvolleres: das Evangelium Jesu. Geht mutig voran! Mit dem Evangelium im Herzen und in den Händen. Bezeugt den Glauben mit eurem Leben: bringt Christus in eure Häuser, verkündigt ihn in eurem Freundeskreis, nehmt ihn auf und dient ihm in den Armen. Liebe junge Freunde, bringt Umbrien eine Botschaft des Lebens, des Friedens und der Hoffnung! Ihr könnt es schaffen!
[Gebet des Vaterunser und Segen]
Und gewährt mir noch eine Bitte: betet für mich!
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