APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH MEXIKO
(12.-18. FEBRUAR 2016)
BEGEGNUNG MIT DEN VERTRETERN DER REGIERUNG UND DES ÖFFENTLICHEN LEBENS
SOWIE MIT DEM DIPLOMATISCHEN KORPS
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Nationalpalast, Mexiko-Stadt
Samstag, 13. Februar 2016
Herr Präsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung der Republik,
geschätzte Vertreter des öffentlichen Lebens und der Zivilgesellschaft,
liebe Brüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen, Herr Präsident, für die Worte, mit denen Sie mich willkommen geheißen haben. Es ist für mich ein Grund zur Freude, die mexikanischen Lande betreten zu können, die einen besonderen Platz im Herzen Amerikas einnehmen. Ich komme heute als Missionar der Barmherzigkeit und des Friedens, aber auch als ein Sohn, der seiner Mutter, der Jungfrau Maria von Guadalupe, die Ehre erweisen und sich von ihr anschauen lassen möchte.
Ich versuche, ein guter Sohn zu sein, der in ihre Fußstapfen tritt, und möchte daher meinerseits diesem Volk und diesem Land, das so reich ist an Kulturen, Geschichte und Vielfalt, die Ehre erweisen. In Ihrer Person, Herr Präsident, möchte ich das mexikanische Volk in seinen mannigfachen Ausdrücken und den sehr unterschiedlichen Situationen, in denen es lebt, begrüßen und umarmen. Ich danke für die Aufnahme heute in Ihrem Land.
Mexiko ist ein großes Land. Es ist gesegnet an ausgiebigen natürlichen Ressourcen und einer enormen Artenvielfalt, die sich über sein ganzes weites Territorium erstreckt. Seine außergewöhnliche geographische Lage macht es zu einem Bezugspunkt Amerikas; und seine Kulturen mit indigenen, mestizischen und spanischen Wurzeln verleihen ihm eine eigene Identität, die ihm einen kulturellen Reichtum ermöglichen, den man selten findet und der besonders hoch zu schätzen ist. Die uralte Weisheit, die seine multikulturelle Vielfalt mit sich bringt, ist bei weitem eine seiner größten menschlichen Ressourcen. Eine Identität, die lernen musste, sich in der Vielfalt zu entwickeln, und zweifellos ein reiches Erbe darstellt, das es zu würdigen, fördern und bewahren gilt.
Ich denke und möchte gerne sagen, dass der größte Reichtum Mexikos heute ein junges Gesicht hat; ja, es sind die jungen Menschen. Etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist im jugendlichen Alter. Dies erlaubt, an eine Zukunft, ein Morgen zu denken und es zu planen. Dies gibt Hoffnung und hat Ausstrahlung. Ein Volk mit Jugend ist ein Volk, das fähig ist, sich zu erneuern, sich zu verändern; es ist eine Einladung, voll Erwartung den Blick auf die Zukunft zu richten und sich zudem positiv den Herausforderungen in der Gegenwart zu stellen. Diese Wirklichkeit bringt uns unweigerlich dazu, über die eigene Verantwortung nachzudenken, wenn es darum geht, dass wir das Mexiko aufbauen, das wir wünschen, das Mexiko, das wir den kommenden Generationen weitergeben möchten. Ebenso müssen wir uns bewusst sein, dass eine vielversprechende Zukunft in einer Gegenwart der aufrechten und ehrlichen Männer und Frauen geschmiedet wird, die sich für das Gemeinwohl einzusetzen vermögen, dieses „Gemeinwohl“, das in diesem 21. Jahrhundert nicht hoch gehandelt wird. Die Erfahrung zeigt uns: Immer wenn wir nach einem Weg der Privilegien oder Vorteile für einige wenige zum Schaden des Wohls aller suchen, wird früher oder später das Leben in der Gesellschaft zu einem fruchtbaren Boden für die Korruption, den Rauschgifthandel, die Exklusion verschiedener Kulturen und für die Gewalt, einschließlich des Menschenhandels, der Entführung und des Todes, und verursacht so Leid und bremst die Entwicklung.
Das mexikanische Volk stützt seine Hoffnung auf seine Identität, die in harten und schwierigen Zeiten seiner Geschichte durch große Zeugnisse von Bürgern geformt wurde, die verstanden hatten, dass – um die aus der Engstirnigkeit des Individualismus geborenen Situationen zu überwinden – die Übereinstimmung der politischen und gesellschaftlichen Institutionen und des Marktes wie auch aller Männer und Frauen notwendig war, die sich für die Suche nach dem Gemeinwohl und die Förderung der Würde des Menschen einsetzen.
Eine uralte Kultur und ein vielversprechendes Humankapital wie bei Ihnen können die Quelle der Inspiration sein, so dass wir neue Formen des Dialogs, des Verhandelns und der Vermittlung finden, die fähig sind, uns auf den Pfad des solidarischen Engagements zu führen. Ein Engagement, bei dem wir uns alle, angefangen bei denen, die Christen genannt werden, dem Aufbau eines „wirklich menschenwürdigen politischen Lebens“ (Gaudium et spes, 73) und einer Gesellschaft widmen, in der sich niemand als Opfer der Wegwerfkultur fühlt.
Den führenden Persönlichkeiten des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens kommt es in besonderer Weise zu, dafür zu arbeiten, dass allen Bürgern die Möglichkeit geboten wird, in Würde ihr eigenes Geschick in der Familie und in allen Bereichen, in denen sich das soziale Wesen des Menschen entfaltet, gestalten zu können, indem sie ihnen helfen, effektiv Zugang zu den unerlässlichen materiellen und geistigen Gütern zu erhalten: angemessene Wohnung, menschenwürdige Arbeit, Ernährung, echte Gerechtigkeit, effektive Sicherheit, eine gesunde Umwelt und Frieden.
Dies ist nicht nur eine Angelegenheit von Gesetzen, welche – stets notwendige – Aktualisierungen und Verbesserungen erfordern, sondern von einer dringenden Bildung der persönlichen Verantwortung eines jeden in der vollen Achtung des anderen als Mitverantwortlichen in der gemeinsamen Sache, die nationale Entwicklung zu fördern. Es ist eine Aufgabe, die das ganze mexikanische Volk auf seinen verschiedenen Ebenen – sowohl öffentlich als auch privat, gemeinschaftlich wie individuell – miteinbezieht.
Herr Präsident, ich versichere Ihnen, dass die mexikanische Regierung bei diesen Anstrengungen auf die Mitarbeit der katholischen Kirche zählen kann, die das Leben dieser Nation begleitet hat und ihren Einsatz und Willen bekräftigt, der großen Sache des Menschen zu dienen: dem Aufbau einer Zivilisation der Liebe.
Ich bin im Begriff, dieses schöne und große Land als Missionar und Pilger zu bereisen, der mit Ihnen die Erfahrung der Barmherzigkeit als einen neuen möglichen Horizont, der unausbleiblich Gerechtigkeit und Frieden mit sich bringt, erneuern möchte.
Ich stelle mich unter den Blick der Jungfrau Maria von Guadalupe. Auf ihre Fürsprache hin gewähre uns der barmherzige Vater, dass diese Tage und die Zukunft dieses Landes eine Gelegenheit zu Begegnung, Gemeinschaft und Frieden seien.
Vielen Dank.
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