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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH MOSAMBIK, MADAGASKAR UND MAURITIUS
(4.- 10. SEPTEMBER 2019)

GEBETSVIGIL MIT DEN JUGENDLICHEN

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Diözesangelände von Soamandrakizay (Antananarivo)
Samstag, 7. September 2019

[Multimedia]


 

Ich danke Ihnen, Herr Bischof, für Ihre Willkommensworte. Und ich danke euch, liebe junge Menschen, dass ihr aus allen Teilen dieser wunderschönen Insel gekommen seid, trotz aller Anstrengungen und Schwierigkeiten, die dies für viele von euch mit sich bringt. Dennoch seid ihr hier! Mir bereitet es große Freude, mit euch diese Vigil zu begehen, zu der uns der Herr einlädt. Danke für die Gesänge und für die traditionellen Tänze, die ihr mit großer Begeisterung dargeboten habt – diejenigen, die mir gesagt haben, dass ihr eine außerordentliche Freude und Begeisterung habt, haben sich nicht getäuscht.

Danke, Rova Sitraka und Vavy Elyssa, dass ihr mit uns allen euren Weg der Suche zwischen Wünschen und Herausforderungen geteilt habt. Wie schön ist es, zwei jungen dynamischen Menschen mit einem lebendigen Glauben zu begegnen! Jesus lässt unser Herz immer weitersuchen, er lässt uns aufbrechen und bringt uns in Bewegung! Der Jünger Jesu, wenn er in seiner Freundschaft wachsen will, darf nicht stillstehen, um sich zu beklagen und auf sich selbst zu schauen. Er muss sich bewegen, handeln, sich einbringen in der Gewissheit, dass der Herr ihn stützt und ihn begleitet.

Daher sehe ich jeden jungen Menschen gern als jemanden, der auf der Suche ist. Erinnert ihr euch an die erste Frage, die Jesus am Ufer des Jordans an die Jünger richtet? Die erste Frage lautete: »Was sucht ihr?« (Joh 1,38). Der Herr weiß, dass wir auf der Suche sind »nach diesem Glück, für das wir geschaffen wurden«, und »das die Welt uns nicht nehmen kann« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 1; 177). Jeder bringt dies auf verschiedene Weise zum Ausdruck, aber im Grunde seid ihr immer auf der Suche nach jenem Glück, das uns niemand nehmen kann.

Wie du es uns gesagt hast, Rova: In deinem Herzen hattest du seit langer Zeit den Wunsch, die Gefangenen zu besuchen. Du hast angefangen, einem Priester bei seiner Aufgabe zu helfen, und nach und nach hast du dich immer mehr eingebracht, bis es zu deiner persönlichen Mission geworden ist. Du hast entdeckt, dass dein Leben ein missionarisches sein sollte. Dieses gläubige Suchen hilft, die Welt, in der wir leben, mehr nach dem Evangelium zu gestalten. Und das, was du für die anderen getan hast, hat dich verwandelt, hat deine Art und Weise, die Personen zu sehen und zu beurteilen verändert. Es hat dich gerechter und menschlicher gemacht. Du hast verstanden und entdeckt, wie der Herr sich deiner angenommen hat und dir ein Glück geschenkt hat, das dir die Welt nicht nehmen kann (vgl. ebd., 177).

Rova, während deiner Mission hast du gelernt, auf die Adjektive zu verzichten und die Personen bei ihrem Namen zu rufen, wie es der Herr mit uns getan hat. Wenn er uns ruft, nennt er nicht unsere Sünde, unsere Fehler, unsere Irrtümer, unsere Grenzen, sondern er ruft uns mit unserem Namen; jeder von uns ist in seinen Augen wertvoll. Der Teufel kennt auch unseren Namen, aber er zieht es vor, uns ständig und immer wieder mit unseren Sünden und Fehlern anzusprechen; und auf diese Weise erweckt er den Eindruck, dass sich nichts ändern wird, dass alles gleich bleiben wird, egal was wir tun. Der Herr handelt nicht so. Der Herr erinnert uns immer daran, wie wertvoll wir in seinen Augen sind, und er vertraut uns eine Mission an.

Du hast gelernt, Rova, nicht nur die Qualitäten, sondern auch die Geschichten zu erkennen, welche sich hinter jedem Gesicht verbergen. Du hast die schnelle und leichtfertige, doch immer lähmende Kritik aufgegeben, um etwas zu lernen, wofür viele Menschen Jahre brauchen, um es zu entdecken. Dir ist bewusst geworden, dass viele Menschen, die im Gefängnis sitzen, nicht schlecht sind, sondern schlechte Entscheidungen getroffen haben. Sie haben den falschen Weg eingeschlagen, und sie wissen es, aber jetzt wollen sie neu beginnen.

Dies erinnert uns an eine der schönsten Gaben, die uns die Freundschaft mit Jesus zu bieten hat. »Er ist in dir, er ist bei dir und verlässt dich nie. So sehr du dich auch entfernen magst, der Auferstandene ist an deiner Seite; er ruft dich und wartet auf dich, um neu zu beginnen« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christus vivit, 2) und dir eine Mission anzuvertrauen. Der Herr lädt uns ein, dieses Geschenk heute gemeinsam zu entdecken und zu feiern.

Wir alle wissen, auch aufgrund persönlicher Erfahrung, dass man sich verlieren und Illusionen nachlaufen kann, die uns Versprechungen machen und uns mit einer vordergründigen Freude, einer schnell und leicht zu erreichenden, kurzfristigen Freude betören, die aber am Ende das Herz, den Blick und die Seele auf halber Strecke zurücklassen. Nehmt euch vor denen in Acht, die euch leichte Wege versprechen, aber euch dann auf halber Strecke zurücklassen! Jene Trugbilder, die uns, wenn wir jung sind, mit betäubenden Versprechungen verführen, uns die Lebendigkeit, die Freude nehmen, uns abhängig machen und uns in einen scheinbar ausweglosen und von Bitterkeit erfüllten Kreislauf einschließen.

Eine Bitterkeit, ich weiß nicht, ob das stimmt… aber es besteht die Gefahr für euch zu denken: „So ist es… nichts kann sich ändern und niemand kann etwas tun“. Vor allem wenn man nicht ausreichend über das verfügt, was nötig ist, um tagtäglich zu kämpfen; wenn die tatsächlichen Studienmöglichkeiten nicht ausreichend sind; oder für diejenigen, die sich bewusst werden, dass ihre Zukunft aufgrund des Mangels an Arbeit, aufgrund unsicherer Arbeitsverhältnisse, aufgrund sozialer Ungerechtigkeiten versperrt ist…, und die daher in die Versuchung geraten, aufzugeben. Nehmt euch in Acht vor dieser Bitterkeit. Passt auf!

Der Herr ist der Erste, der sagt: Nein, dies ist nicht der Weg. Er lebt und er will, dass auch du lebendig bist, indem du alle deine Gaben und Charismen teilst, dein Suchen und deine Fähigkeiten (vgl. ebd., 1). Der Herr ruft uns mit Namen und sagt uns: „Folge mir!“. Nicht um uns hinter Trugbildern hinterherlaufen zu lassen, sondern um jeden von uns in missionarische Jünger zu verwandeln – hier und jetzt. Er ist der Erste, der all den Stimmen widerspricht, welche versuchen, euch einzuschläfern, euch zu zähmen, euch zu betäuben oder zum Schweigen zu bringen, damit ihr nicht nach neuen Horizonten sucht. Mit Jesus gibt es immer neue Horizonte. Er will uns alle verwandeln und aus unserem Leben eine Mission machen. Aber er verlangt von uns nur eine Sache; er verlangt von uns, keine Angst zu haben und uns die Hände schmutzig zu machen; nicht ängstlich zu sein, dass wir die Hände schmutzig machen.

Durch euch kommt die Zukunft nach Madagaskar und in die Kirche. Der Herr ist der Erste, der Vertrauen in euch setzt und auch euch einlädt, euch selbst zu vertrauen und euren Kompetenzen und Fähigkeiten zu vertauen, die zahlreich sind. Er lädt euch ein, vereint mit ihm Mut zu fassen, um die schönste Seite eures Lebens zu schreiben, um die Apathie zu überwinden und wie Rova eine christliche Antwort auf die vielen Probleme zu geben, denen ihr euch stellen müsst. Es ist der Herr, der euch einlädt, Erbauer der Zukunft zu sein (vgl. ebd., 174). Ihr seid Konstrukteure der Zukunft! Ich lade euch ein, den Beitrag zu erbringen, den nur ihr geben könnt, mit der Freude und der Frische eures Glaubens. Jeden von euch frage ich, dich, dich, dich und dich … und lade dich ein, dich selbst zu fragen: Kann der Herr auf dich zählen? Kann dein madagassisches Volk auf dich zählen? Kann deine Heimat Madagaskar auf dich zählen?

Aber der Herr will keine einzelgängerischen Abenteurer. Er vertraut uns eine Mission an, ja, aber er schickt uns nicht allein an die Front.

Wie Vavy Elyssa ganz richtig gesagt hat, ist es unmöglich, allein ein missionarischer Jünger zu sein: Wir brauchen die anderen, um die Liebe und das Vertrauen, die der Herr uns gibt, zu leben und zu teilen. Die persönliche Begegnung mit Jesus ist unersetzlich, nicht allein, sondern in Gemeinschaft. Gewiss kann jeder von uns große Dinge vollbringen, ja; aber gemeinsam können wir träumen und uns für unvorstellbare Dinge einsetzen! Vavy hat es klar gesagt. Wir sind gesandt, das Antlitz Jesu in den Gesichtern der anderen zu entdecken, indem wir den Glauben auf familiäre Weise feiern, indem wir Bande der Brüderlichkeit knüpfen, indem wir am Leben einer Gruppe oder einer Bewegung teilnehmen und uns dabei ermutigen, einen gemeinsamen in Solidarität gelebten Weg zu verfolgen. So können wir lernen, die Wege zu entdecken und zu unterscheiden, die der Herr uns einlädt zu gehen, den Horizonten entgegen, die er euch auftut. Niemals sich isolieren oder alles allein machen wollen! Es ist eine der schlimmsten Versuchungen, die wir haben können.

In Gemeinschaft, also gemeinsam können wir lernen, die kleinen alltäglichen Wunder zu entdecken; dort wird uns auch bezeugt, wie schön es ist, Jesus zu folgen und zu lieben. Und dies oft auf indirekte Weise wie im Fall deiner Eltern, Vavy, die, obwohl sie verschiedenen Ethnien mit ihren je eigenen Bräuchen und Sitten angehören, dank ihrer gegenseitigen Liebe alle Prüfungen und Differenzen überwinden und euch einen schönen Weg aufzeigen konnten, auf dem ihr gehen könnt. Ein Weg, der sich jedes Mal bestätigt, wenn die Früchte der Erde gespendet werden, damit sie am Altar dargebracht werden. Wie sehr bedarf es dieser Zeugnisse! Oder wie deine Tante und die Katechetinnen und die Priester, die sie beim Voranschreiten im Glauben begleitet und unterstützt haben. All das hat dazu beigetragen und hat dazu ermutigt, dass ihr schließlich euer Ja sprechen konntet. Wir alle sind wichtig; alle, alle sind wir notwendig und niemand kann sagen: „Ich brauche dich nicht“ oder „du gehörst nicht zu diesem Projekt der Liebe, das der Vater ersonnen hat, als er uns erschaffen hat“.

Und nun stelle ich euch eine Aufgabe: Ich möchte, dass wir alle dreimal sagen: Niemand kann sagen: „Ich brauche dich nicht“. Dreimal … [sie wiederholen es dreimal]. Ihr seid Spitze!

Wir sind eine große Familie – ich komme zum Schluss, ruhig! Es wird kühl. [Sie lachen] – und wir können entdecken, liebe junge Menschen, dass wir eine Mutter haben: die Schutzherrin Madagaskars, die Jungfrau Maria. Ich war immer beeindruckt über die Kraft des Ja der jungen Maria. – Sie war jung wie ihr. – Die Kraft jenes „mir geschehe nach deinem Wort“, das sie zum Engel spricht. Es war nicht nur ein einfach so dahin gesagtes Ja: „Naja, schauen wir mal, was passiert“. Nein. Maria kannte den Ausdruck nicht: „Schauen wir, was passiert“. Sie hat ohne Umschweife Ja gesagt. Es ist das Ja derjenigen, die sich einbringen wollen und bereit sind, Risiken einzugehen, und die alles auf eine Karte setzen wollen, mit keiner anderen Garantie als der Gewissheit, Träger einer Verheißung zu sein. Jenes Mädchen von Nazaret ist heute die Mutter, die über ihre Kinder wacht, die oftmals ermüdet und bedürftig durch das Leben gehen, aber den Wunsch haben, dass das Licht der Hoffnung nicht erlischt. Das ist es, was wir uns für Madagaskar, für einen jeden von euch und für eure Freunde wünschen: dass das Licht der Hoffnung nie erlischt. Unsere Mutter schaut auf dieses Volk von jungen Menschen, die sie liebt und welche nach ihr suchen in der Stille des eigenen Herzens, trotz der vielen Geräusche, Gespräche und Ablenkungen entlang des Weges (vgl. Christus vivit, 44-48).

Ihr will ich euer aller Leben und das Leben jedes Einzelnen von euch anvertrauen, das Leben eurer Familien und eurer Freunde, damit euch niemals das Licht der Hoffnung fehlt und Madagaskar immer mehr zu dem Land wird, das der Herr erträumt hat. Sie begleite und beschütze euch immer.

Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten.

 



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