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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II.
 AN DIE KATHOLIKEN CHINAS

 

»Und das Wort ist Fleisch geworden« (Joh 1,14).

Liebe Brüder und Schwestern der katholischen Kirche in China!

An der Schwelle zum Großen Jubiläumsjahr, in dem wir den 2000. Jahrestag der Geburt Christi begehen, grüße ich euch alle mit Freude und großer Herzlichkeit in der Liebe Gottes, des Vaters, und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Allen Katholiken chinesischer Abstammung bin ich als Hirte der Weltkirche von Herzen nahe. In diesem Augenblick empfinde ich aber das Bedürfnis, mich besonders an die Hirten und Gläubigen in Kontinentalchina zu wenden, die ihre Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl noch nicht voll und sichtbar zum Ausdruck bringen können.

1. Auch ihr, Brüder und Schwestern der Kirche in China, habt zusammen mit allen Gläubigen, die sich auf der ganzen Welt auf die Feier des Großen Jubiläumsjahres und auf den Beginn eines neues Jahrtausends vorbereiten, die Einladung des Nachfolgers Petri und Bischofs von Rom angenommen und geht nun gläubig auf dieses Ereignis zu.

Die praktischen Weisungen, die ich in der Verkündigungsbulle Incarnationis mysterium aufgezeigt habe, und die Hinweise zum Erhalt des Ablasses, die ihrerseits im entsprechenden Dekret der Apostolischen Pönitentiarie erläutert sind, werden für alle Katholiken Richtschnur und Anleitung für eine fruchtbringende Feier dieses Gnadenjahres der Vorsehung sein, und zwar nicht nur in Rom und Jerusalem, sondern auch in den anderen Gebieten kirchlichen Lebens.

Einer großen Zahl von Katholiken auf der ganzen Welt wird es nicht möglich sein, die Schwelle der Heiligen Pforte in Rom zu überschreiten und die Gräber der Apostel Petrus und Paulus zu verehren. Aber alle, wo immer sie auch leben, sind eingeladen, diese Entdeckung zu machen: »Durch jene Tür gehen heißt bekennen, daß Jesus Christus der Herr ist, und den Glauben an ihn stärken, um das neue Leben zu leben, das er uns geschenkt hat. Es ist eine Entscheidung, welche die Freiheit der Wahl und zugleich den Mut zum Loslassen voraussetzt im Wissen darum, daß man das göttliche Leben gewinnt (vgl. Mt 13,44–46)« (Incarnationis mysterium, 8).

2. Unsere Herzen sind auf den Augenblick gerichtet, wo in der »Fülle der Zeit« (Gal 4,4) der Sohn Gottes unter uns geboren wurde: Dieses Ereignis hat die Mehrheit der Menschheit inzwischen als Bezugspunkt für die Chronologie der Geschichte angenommen. Die Geburt Jesu ereignete sich in einer Provinz Palästinas, jenes asiatischen Landes, das am Kreuzungspunkt großer Straßen des kulturellen Austauschs zwischen Orient und Okzident liegt, Treffpunkt zwischen Asien, Europa und Afrika.

Jene Geburt brachte und bringt auch heute noch allen Menschen »des weiten Bereichs unter dem Himmel« Freude, genau so, wie es die Engel den Hirten in Betlehem verkündet hatten: »Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk Israel zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr« (Lk 2,10–11).

Der Name, der dem Neugeborenen gegeben wurde – Jesus, »Jahwe ist Hilfe; Gott schenkt Heil« –, faßt seine Sendung zusammen und ist ein Versprechen an das gesamte Menschengeschlecht: »[Gott] will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1 Tim 2,4). »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,16).

3. Was von Jesus bei seiner Geburt gesagt wurde, begann er selbst in seinem Leben umzusetzen: »Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude« (4. Hochgebet).

Um den barmherzigen und geheimnisvollen Ratschluß Gottes zum Heil der Menschen zu erfüllen, »hat er sich dem Tod überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen« (ebd.).

Vor seiner Himmelfahrt und Rückkehr zum Vater trug er seinen Aposteln, das heißt der entstehenden Kirche, auf: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« (Mt 28,19).

Dem Herrn gehorsam und vom Heiligen Geist angeregt, haben die Jünger das Gebot des Herrn erfüllt und die Frohe Botschaft nach Ost und West, nach Nord und Süd getragen.

4. Das Jubiläumsjahr erinnert an den Eintritt Jesu in die Geschichte und feiert auf diese Weise auch seine weitergehende Gegenwart unter den Völkern.

Wie ihr wohl wißt, liebe Brüder und Schwestern, wurde des Evangelium des Heils – nach den geheimnisvollen Plänen der göttlichen Vorsehung – auch in eurem Land schon sehr früh verkündet: In der Tat kamen schon im 5./6.Jahrhundert Gruppen von Mönchen aus Syrien über Zentralasien und brachten den Namen Jesu zu euren Vorfahren. Noch heute erinnert eine berühmte Stele in der Hauptstadt Xi’an eindrucksvoll an jenen historischen Zeitpunkt im Jahr 635, der den offiziellen Anfang der »Licht-Religion« in China bezeichnet.

Nach einigen Jahrhunderten ebbte diese Verkündigung ab. Die Tatsache aber, daß das Evangelium Jesu euren Vorfahren zu einer Zeit verkündet wurde, da ein Großteil Europas und der restlichen Welt es noch gar nicht kannte, muß für euch ein Grund zur Dankbarkeit gegenüber dem Herrn und zu großer Freude sein.

5. Die Botschaft des Evangeliums, die in jenen weit zurückliegenden Anfängen verkündet wurde, hat ihre Aktualität nicht verloren. Sie lädt euch ein und spornt euch an, sie auch jenen zu verkünden, die sie noch nicht empfangen haben.

Das Leben der Jünger Christi – damals wie heute, in China wie anderswo – muß sich von der »Frohen Botschaft« inspirieren lassen, und die wahrhafte Verwirklichung des Evangeliums in eurem Leben wird ein leuchtendes Zeugnis für Christus in eurer Umgebung sein. Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, seid ihr alle aufgefordert, dem chinesischen Volk von heute das Evangelium des Heils mit erneuerter Begeisterung zu verkünden.

Ich kann verstehen, daß ihr euch einer so großen und anspruchsvollen Sendung nicht gewachsen fühlt; ihr wißt aber, daß ihr auf die siegreiche Kraft Christi zählen könnt (vgl. Joh 16,33), der euch seine Gegenwart und Hilfe zusichert. Unter der Leitung eurer Hirten und in Gemeinschaft mit ihnen werdet ihr, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, zeitgemäße Pastoralpläne erarbeiten; dabei sollt ihr deutlich und vorrangig all das herausstellen, was die Verkündigung Jesu und seines Wortes des Lebens anbelangt, und der Welt der Jugend besondere Aufmerksamkeit widmen.

In diesem Zusammenhang ist die Feier des Jubiläumsjahres Anlaß zum Gedenken an die apostolischen Mühen, Leiden, Tränen und das Blutvergießen, die den Weg der Kirche unter den Menschen aller Zeiten begleitet haben. Auch unter euch war das Blut eurer Märtyrer der Same für eine Vielzahl von wahren Jüngern Christi. Mein Herz ist erfüllt von Erstaunen und Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für das großherzige Zeugnis einer großen Schar von Bischöfen, Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien. Und dabei hat es den Anschein, daß die Zeit der Prüfung in manchen Gegenden noch nicht vorüber ist!

6. In eurer Vorbereitung auf die Abhaltung des Großen Jubeljahres dürft ihr nicht vergessen, daß in der biblischen Tradition eine solche Zeit immer die Verpflichtung zum gegenseitigen Schuldenerlaß, zur Wiedergutmachung von begangenem Unrecht und zur Versöhnung mit dem Nachbarn mit sich brachte.

Auch euch wurde die »große Freude« verkündet, die »allen Völkern zuteil wurde«: die Liebe und Barmherzigkeit des Vaters, die in Christus erwirkte Erlösung. In dem Maße, wie ihr selbst bereit seid, diese freudige Kunde anzunehmen, werdet ihr sie auch durch euer Leben allen Männern und Frauen an eurer Seite vermitteln können. Mein sehnlichster Wunsch ist, daß ihr den inneren Eingebungen des Heiligen Geistes nachkommt und euch gegenseitig all das vergebt, was zu vergeben ist, euch einander näherkommt, euch gegenseitig akzeptiert und alle Barrieren überwindet, um all das zu umgehen, was euch trennen kann.

Vergeßt die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl nicht: »Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Joh 13,35).

Ich habe mit Freude vernommen, daß das wertvollste Geschenk, das ihr zur Feier des Großen Jubiläumsjahres anbieten wollt, die Einheit unter euch und mit dem Nachfolger Petri sein soll. Ein solches Vorhaben kann nur die Frucht des Geistes sein, der seine Kirche auf die nicht leichten Wege der Versöhnung und Einheit führt.

7. »Ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, das heute besonders nötig ist, stellt die Liebe dar, die uns die Augen für die Bedürfnisse derer öffnet, die in Armut und am Rande der Gesellschaft leben« (Incarnationis mysterium, 12).

Unter den praktischen Bemühungen, die eure Anstrengung zur Umkehr und geistlichen Erneuerung deutlich machen werden, soll auch die Nächstenliebe gegenüber den Brüdern in der überlieferten Form von Werken leiblicher und geistiger Barmherzigkeit ihren Platz haben. Diese konkrete Solidarität wird euer verhaltener – aber wirksamer – Beitrag auch zum Wohle eures Volkes sein. Auf diese Weise gebt ihr ein beredtes Zeugnis für den Namen »Christ«, den ihr mutig und stolz tragt: Als gute Chinesen und echte Christen liebt ihr sowohl euer Land als auch die Orts- und Weltkirche.

8. Das Jubiläumsjahr Zweitausend wird ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein:

Lob und Dank für das Geschenk der Kirche, von Christus gegründet als »Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium, 1).

»Ihr Dank soll sich schließlich auf die Früchte der Heiligkeit ausweiten, welche im Leben der vielen Männer und Frauen« – auch eures Volkes – »herangereift sind, die in jeder Generation und in jeder Geschichtsepoche das Geschenk der Erlösung vorbehaltlos anzunehmen vermochten« (Tertio millennio adveniente, 32).

9. Untereinander in der Wahrheit und Liebe Christi verbunden, in Gemeinschaft mit der Universalkirche und dem, der von Jesus zum Nachfolger Petri und Unterpfand der Einheit berufen ist, überschreitet die Schwelle zum neuen Jahrtausend in dem Vertrauen, daß der einzige Gott und Vater des gesamten Menschengeschlechts eure eigenen Schritte und die Schritte eures ganzen Volkes segnet und segnen wird. Seid trotz eurer kleinen Zahl Sauerteig des Guten zugunsten eures Volkes. Seid Zeichen und Sakrament des Heils, das Gott allen Menschen versprochen hat, und ladet die Menschen um euch ein, die Frohe Botschaft des Großen Jubeljahrs zu hören und daran zu glauben: »Euch ist der Retter geboren!« (vgl. Lk 2,11).

Maria, Mutter des Erlösers, Hilfe der Christen und Königin von China, beschütze und unterstütze euch in der Erfüllung eurer Berufung und in der Verwirklichung der Vorsätze, die in einem immer wachsameren und großzügigeren Herzen aufkeimen.

10. Mein Blick weitet sich nun wieder, um auch die chinesischen Katholiken einzuschließen, die außerhalb von Kontinentalchina leben. An sie geht mein herzlicher Gruß, verbunden mit dem aufrichtigen Wunsch, daß sie während des Jubiläumsjahres ermutigt werden in dem Bewußtsein, »der Welt das wahre Licht zu bringen: Jesus Christus, den Herrn« (Incarnationis mysterium, 2). Sie werden dort, wohin die göttliche Vorsehung sie gestellt hat, Licht und Sauerteig sein und die spirituelle Einheit mit allen ihren Brüdern und Schwestern der großen chinesischen Familie pflegen.

»Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.« Mit diesem Wunsch segne ich alle von Herzen!

Aus dem Vatikan, 8. Dezember 1999, Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria



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