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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DER 14. INTERNATIONALEN KONFERENZ
ÜBER "WIRTSCHAFT UND GESUNDHEIT"
DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE PASTORAL IM KRANKENDIENST

Freitag, 19. November 1999

 

Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!

1. Gerne empfange ich Sie anläßlich Ihrer Teilnahme an der Internationalen Konferenz, die der Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst dieses Jahr dem Studium der Beziehung von Wirtschaft und Gesundheit gewidmet hat: ein höchst aktuelles Thema, reich an wichtigen Problemstellungen, das sowohl die Strukturierung der nationalen Politiken als auch den Evangelisierungsauftrag der Kirche betrifft.

Ich begrüße Erzbischof Javier Lozano Barragán und danke ihm für die freundlichen Worte, die er eben im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an die Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst sowie an die Wissenschaftler, Forscher und Vertreter der Staaten und Regierungen, die diese bedeutsame Tagung mit ihrer Anwesenheit und ihren wissenschaftlichen Beiträgen beehrt haben.

In der Absicht, konkrete Aktionslinien zu bestimmen, haben Sie das Thema nicht unter rein theoretischem Gesichtspunkt abgehandelt, sondern nach einem wissenschaftlich organischen und artikulierten Vorgehen. Ihre Überlegungen bewegten sich zudem vor dem Hintergrund des Glaubens. Ausgehend vom Wort Gottes, das der ganzen Menschheit das vollkommene Heil bringt, wird nämlich die Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit - sowohl in der Gesamtsicht als auch in den einzelnen Aspekten - klarer beleuchtet.

Ein besseres Verständnis dieser in sich komplexen und weltweiten Wirklichkeit wird durch den ernsten fachübergreifenden Ansatz, den Sie zu Recht dafür gewählt haben, sicherlich gefördert. Außerdem haben Sie das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesundheit im Lichte sowohl der geschichtlichen Entwicklung als auch der Soziallehre der Kirche und der Theologie und Moral untersuchen wollen - und zwar immer im Geiste eines konstruktiven ökumenischen und interreligiösen Dialogs.

2. Bei Ihren Überlegungen fehlt es auch nicht an den konsequenten Handlungsabsichten: Sie haben Vorschläge für Aktionsprojekte erarbeitet, welche in der Lage sind, die bestehende Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit auf allen Ebenen - Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kultur und Religion - zu verbessern: Sie haben also versucht, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was tun? - sowohl auf globalem Niveau als auch in jedem einzelnen Land, um das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesundheit menschlicher und christlicher zu gestalten.

Es handelt sich um eine beunruhigende Frage, die, von diesem Kongreß ausgehend, alle Menschen guten Willens erreichen und besonders jene berühren soll, die auf globaler Ebene und in jedem Einzelstaat in diesem Bereich größere Verantwortung tragen.

Es ist in der Tat nicht hinnehmbar, daß die Beschränktheit der wirtschaftlichen Ressourcen, die wir heute auf vielerlei Weise erfahren, sich de facto vor allem auf die schwächeren Schichten der Bevölkerung und die ärmeren Gebiete der Welt negativ auswirkt und diesen die notwendige Gesundheitsfürsorge vorenthält. Gleichermaßen ist es nicht zulässig, daß diese Einschränkungen dazu führen, bestimmte Lebensabschnitte oder Situationen besonderer Gebrechlichkeit und Schwäche von der medizinischen Betreuung auszuschließen - so zum Beispiel das werdende Leben, das Alter sowie schwere Behinderungen oder Krankheiten vor dem Tod.

Jeder Mensch, nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, ist dazu berufen, am Leben Gottes selbst Anteil zu nehmen, und er hat das Recht, sich an den Tisch des gemeinsamen Mahls zu setzen und die vom Fortschritt, von der Wissenschaft, Technik und Medizin gebotenen Vorzüge in Anspruch zu nehmen.

3. Außerdem ist es wichtig, eine angemessenere Auffassung von Gesundheit zu entwickeln, gegründet auf einer Anthropologie, die den Menschen in seiner Ganzheit achtet. Weit davon entfernt, diese mit einer einfachen Abwesenheit von Krankheit gleichzustellen, stellt sich ein solcher Gesundheitsbegriff als Streben nach vollkommener Harmonie und einem gesunden körperlichen, psychischen, spirituellen und sozialen Gleichgewicht dar (vgl. Botschaft zum 8. Welttag der Kranken, 13).

Ausgehend von dieser neuen Auffassung von Wirtschaft und Gesundheit, kann dann deren gegenseitiges Verhältnis positiver gestaltet werden. Es ist nicht Aufgabe der Kirche, anzugeben, welche Wirtschaftsmodelle und welche Gesundheitssysteme das Verhältnis Wirtschaft-Gesundheit am besten lösen können; sie hat hingegen den Auftrag, sich dafür einzusetzen, daß im Rahmen der sogenannten Globalisierung dieses Verhältnis im Lichte jener ethischen Werte behandelt und gelöst wird, die die Achtung und den Schutz der Würde jedes Menschen fördern, angefangen bei den Schwächsten und Ärmsten.

4. Schmerzlich müssen wir feststellen, daß der Graben zwischen Situationen übermäßigen Reichtums und einer Armut, die manchmal völliger Mittellosigkeit gleichkommt, dazu neigt, sich immer weiter zu verbreitern, anstatt abzunehmen (vgl. Sollicitudo rei socialis, 14). Diese Tatsache hat sehr negative, manchmal sogar dramatische Auswirkungen: gerade auf die Beziehung zwischen Wirtschaft und Gesundheit.

Glücklicherweise greift in dieser Situation ein stärkeres Bewußtsein der Würde jedes Menschen und der grundlegenden gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen untereinander um sich mit dem Ergebnis einer wachsenden Verpflichtung zur Solidarität. Nur vor diesem Hintergrund ist die Überwindung einer ökonomistischen, die Gesundheit herabwürdigenden Anschauung denkbar, wobei man die vielen ungerechten Mißstände hinter sich läßt, die im Verhältnis Wirtschaft- Gesundheit zu finden sind.

Besonders für die Christen wird die Solidarität zu einer Tugend, die in Nächstenliebe mündet und von dieser ständig genährt wird; dadurch weckt sie den Sinn für Aufnahme und Unterstützung auch im Bereich der Krankenpflege. Der oberste Bezugspunkt bleibt dabei die Gemeinschaft der Heiligen Dreifaltigkeit; der Christ weiß, daß er sein Leben daran orientieren muß, um eine Beziehung wahrhafter Nächstenliebe zu verwirklichen, deren erste Begünstigte sicherlich die schwächsten Brüder sind, zu denen die Kranken zählen.

5. An sie möchte ich jetzt einen besonders herzlichen Gruß richten, den ich auf ihre Familien, die um ihre Gesundheit besorgt sind, und auf alle ausdehne, die sich mit Großherzigkeit und Solidarität dem Dienst an den Kranken widmen. Jedem von ihnen erneuere ich den Ausdruck der fürsorglichen Nähe der Kirche und die Zusicherung ihres unermüdlichen Einsatzes, um eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufzubauen.

Einen besonderen Aufruf richte ich an die Regierenden und die internationalen Organisationen, damit sie sich bei ihren Maßnahmen hinsichtlich des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesundheit ausschließlich von der Suche nach dem Gemeinwohl leiten lassen.

Die Pharmakonzerne bitte ich, Gewinndenken nie über die Achtung der menschlichen Werte zu stellen und sich vielmehr den Bedürfnissen jener Menschen aufgeschlossen zu zeigen, die keinen Versicherungsschutz haben, und wirksame Maßnahmen zugunsten der Ärmsten und Ausgegrenzten zu ergreifen. Man muß sich für eine Verringerung - wenn nicht sogar für die Ausschaltung - der Unterschiede zwischen den verschiedenen Erdteilen einsetzen und dazu die höherentwickelten Länder auffordern, ihre Erfahrung, ihre Technologie und einen Teil ihres wirtschaftlichen Reichtums den weniger entwickelten (Staaten) zur Verfügung zu stellen.

Möge der Beginn des dritten Jahrtausends über einer Erde aufgehen, die mit all ihren Ressourcen dem Plan Gottes besser entspricht, damit sich niemand von den Hilfeleistungen ausgeschlossen fühlt, die seiner Person und Gesundheit geschuldet sind - unter Achtung der gleichen Würde aller Menschen.

Der seligen Jungfrau Maria, Vorbild der Kirche und einer versöhnten Menschheit, empfehle ich das Ergebnis Ihrer Arbeit an, damit sie mit ihrer mütterlichen Fürsprache dem Streben nach dem Guten, nach Gerechtigkeit und Frieden, die im Herzen jedes Menschen wohnen, zu seiner Erfüllung verhelfe.

Ihnen allen meinen Segen!

 

© Copyright 1999 - Libreria Editrice Vaticana 

 



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