DISCORSO DI GIOVANNI PAOLO II
AI PELLEGRINI DELLA TURINGIA MERIDIONALE
Sala del Concistoro - Sabato, 12 febbraio 1994
Liebe Pilger aus Südthüringen!
Anläblich Eurer Reise nach Rom heibe ich Euch besonders herzlich im Vatikan willkommen. Mein Dank gilt Frau Claudia Nolte, Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie sind dem Wunsch Ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger gerne nachgekommen und haben diese Pilgerreise organisiert.
Durch die mit dem Zusammenwachsen Deutschlands verbundenen Veränderungen ergeben sich für die Kirche sowie für alle Christen und Menschen guten Willens in Eurem Land neue Herausforderungen und Aufgaben.
Trotz vielfacher praktischer Probleme, mit denen Kirche und Gesellschaft konfrontiert sind und deren Lösung notwendig ist – von der Erneuerung der Institutionen über die Renovierung der Gebäude bis zur Organisation der Seelsorge angesichts des Priestermangels –, ermuntere ich Euch, Eurem Bischof und den Priestern beziehungsweise Pastoren aktiv zur Seite zu stehen in grundlegenden Fragen, die für das Leben der einzelnen und der Gesellschaft in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein werden. Als Christen müssen wir das ”Salz der Erde“ und das ”Licht der Welt“ sein, wenn es darum geht, gegen die Gefahr des reflexionslosen, seichten Praktizismus als Grundhaltung unseres Lebens anzukämpfen.
Dabei würden wir einer falschen Strategie erliegen, wollten wir das Jammern über die gegenwärtige Welt und das Warnen vor ihren Verlockungen zum Axiom unseres Lebens und Handelns erheben. Die reine Abwehrhaltung gegenüber Tendenzen, die Kirche, Glaube und Moral bedrohen, genügt nicht; vielmehr ist eine obiektive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der neuzeitlichen Freiheitlichkeit notwendig. Ihr habt selbst erfahren, da Freiheit ein Geschenk ist, das allerdings, wie alle Geschenke, auch mibbraucht werden kann. Die Freiheit gehört zur Natur des Menschen. Im Unterschied zu totalitären Systemen ist Freiheit im Verständnis der katholischen Soziallehre nicht dem Kollektiv, sondern dem Individuum übertragen. Je freier der Gläubige ist, desto eher liebt er in solidarischer Weise. Ihr lebt an der Nahtstelle der ehemaligen beiden Teile Deutschlands; deswegen obliegt Euch eine besondere Verantwortung, die positiven Erfahrungen aus der Vergangenheit zu bewahren und einzubringen, aber zugleich dem Neuen mit grober Offenheit zu begegnen.
Sittliche Normen und das System von Werten sind Wesensbestandteil einer wahrhaft humanen Gesellschaft. ”Wahrhaftes Verständis und echte Barmherzigkeit bedeuten in Wirklichkeit Liebe zur menschlichen Person, zu ihrem wahren Wohl, zu ihrer authentischen Freiheit. Und dies kommt gewib nicht dadurch zustande, dab man die sittliche Wahrheit verbirgt oder abschwächt, sondern indem man sie in ihrer tiefsten Bedeutung als Ausstrahlung der ewigen Weisheit Gottes, die uns in Christus erreicht, und als Dienst am Menschen, am Wachstum seiner Freiheit und an der Erreichung seiner Seligkeit darlegt“.
In den heutigen europäischen Gesellschaften, in den postkommunistischen wie in den westlichen, können wir nicht von einem geistigen Leerraum sprechen. Aber die Werte sind weitgehend in den Bannkreis einer Kultur abgedriftet, die von den Gesetzen des Marktes beherrscht wird. Die Freiheit, die uns gegeben ist, recht zu verstehen und mit ihr verantwortungs bewut umzugehen, verlangt von uns mehr Freiheitsfähigkeit.
Mein Wunsch an Euch ist, im Licht des Evangeliums Euren Auftrag in Familie, Kirche und Gesellschaft wahrzunehmen und Euch auch zukünftig in der alltäglichen Lebensgestaltung nicht zu scheuen, von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die Euch als Christen und als Menschen guten Willens erfüllt. Mit der Bitte, meinem Mitbruder im Bischofsamt Joachim Wanke und den Priestern von Erfurt–Meiningen meine herzlichen Grübe zu übermitteln, erteile ich Euch und Euren lieben Angehörigen zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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