APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH PANAMA AUS ANLASS DES 34. WELTJUGENDTAGES
(23.-28. JANUAR 2019)
PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER
AUF DEM RÜCKFLUG NACH ROM
Sonntag, 27. Januar 2019
Alessandro Gisotti:
Guten Abend!
Heiliger Vater, wir haben immer noch den Ruf „la juventud del Papa“, „la juventud de Jesucristo“ [„die Jugend des Papstes“, „die Jugend Jesu Christi“] in den Ohren, wie auch Erzbischof Ulloa [von Panama] gesagt hat. Diese große, intensive Freude dieser Tage hat so viel Energie gegeben. Und ich glaube, dass wir alle in Ihrem Gesicht die Freude an diesem Treffen gesehen haben, ebenso wie in den Gesichtern der jungen Menschen. Ich habe etwas mitgebracht, das viele der Journalisten – ich denke, fast alle – kennen: Dies wird kein Dokument sein, das in das Lehramt des Papstes aufgenommen wird, aber es ist ein Dokument, von dem ich weiß, dass es Ihnen viel bedeutet. Dies ist ein Lied, geschrieben von einem Mädchen aus Honduras, Martha Avila, deren Bild ich Ihnen gestern gegeben habe. Dieses Lied ist praktisch ein Lied gegen Mobbing, und es war eine Art von Zeichen bei einem Treffen mit Scholas Occurrentes. Das heißt, dass auch das Element des Schmerzes dieser jungen Menschen zugegen war, ebenso wie die Freude, die wir bei so vielen Gelegenheiten erlebt haben. Ich möchte Ihnen nur von einer Szene erzählen, die mich sehr beeindruckt hat: Heiliger Vater, als Sie mit dem Papstmobil vorbeigefahren sind, habe ich viele junge Leute gesehen, die sich dann, nachdem diese Sie begrüßt hatten, umarmt haben, für einen Moment vielleicht. Das hat mich berührt: das Teilen der Freude, das heißt die Jugendlichen, die sich umarmten, nachdem diese Sie auch nur für einen Moment gesehen hatten. Das ist vielleicht etwas, das uns Erwachsenen eine Lehre ist. Wenn junge Menschen glücklich sind, teilen sie die Freude, sie behalten sie nicht für sich – das wollte ich Ihnen und den Journalisten mitteilen.
Heiliger Vater, Sie hatten auch – neben den vielen Überraschungen, die Sie uns in diesen Tagen bereitet haben – ein Treffen mit UNICEF, gerade in den letzten Momenten vor Ihrem Abschied, in der Nuntiatur.
Ich weiß nicht, ob Sie, bevor ich den Journalisten das Wort für die Fragen erteile, auch einen kurzen Gruß sagen wollen ....
Papst Franziskus:
Guten Abend, und dann gute Erholung, denn es ist sicher, dass alle nach dieser so erlebnisreichen Reise müde sind. Vielen Dank für Ihre Arbeit! Auch für mich gab es Dinge, die ich mir nicht gedacht hatte. Überraschungen wie diese, von der Gisotti sprach, das 16-jährige Mädchen aus Honduras, ein Opfer von Mobbing, das mit einer wunderschönen Stimme sang und dieses Lied schrieb. Und auch das Treffen vor dem Verlassen der Nuntiatur mit Leuten von UNICEF Zentralamerika, mit einigen Zeugnissen von zwei jungen Menschen und dann von denen, die arbeiten: Ich hörte Dinge, die das Herz berühren. Es war eine erlebnisreiche Reise. Sie haben das Wort.
Alessandro Gisotti:
Eine Reise, die viele Reisen in sich beinhaltet. Daher bitte ich Sie, beim Thema dieser großen Reise zu bleiben, die durch die anwesenden Jugendlichen die ganze Welt repräsentiert hat. Das erste Wort geht natürlich an die lokale Presse in Panama: Edwin Cabrera Uribe von Radiopanamá. Er wird Ihnen im Namen der gesamten Gruppe panamaischer Journalisten zwei Fragen stellen. Danke, Edwin.
Edwin Cabrera Uribe:
Heiliger Vater, zunächst einmal vielen Dank im Namen meiner sechs Kollegen und mir als Panamaer. Was Sie uns geschenkt haben, ist groß, sehr groß. Die Frage: Heiliger Vater, heute haben Sie den ehrenamtlichen Helfern gesagt, dass sie eine Mission gelebt haben. Sie sagten: „Ihr wisst jetzt, wie einem das Herz klopft, wenn man eine Mission lebt.“ Die Frage ist: Was ist mit der Mission von Papst Franziskus in Panama? Was hat Sie getroffen? Was hat Sie bewegt? Hat Papst Franziskus seine Mission beim zentralamerikanischen Weltjugendtag erfüllt? Weil er in Panama stattfand, aber seit Polen hieß es, es ginge um Zentralamerika. Und auf dem Weg haben wir eine ausstehende Mission mit Nicaragua, nicht wahr?
Papst Franziskus:
Meine Mission bei einem Jugendtag ist die Sendung Petri, nämlich im Glauben zu stärken, und das nicht mit kalten Hinweisen oder Vorschriften, sondern indem ich mein Herz berühren lasse und auf das reagiere, was dort geschieht. Das heißt, ich verstehe nicht – weil ich es so lebe –, ich verstehe also nicht und kann es mir kaum vorstellen, wie einer eine Mission nur mit dem Kopf erfüllen kann. Um eine Mission zu erfüllen, muss man fühlen, und wenn man fühlt, wird man betroffen. Das Leben macht dich betroffen, die Probleme … Als ich mich am Flughafen vom Präsidenten verabschiedete, brachte man ein afrikanisches Kind, sympathisch, sehr dunkelhäutig und so klein. Und er sagte zu mir: „Schauen Sie, dieser kleine Junge kam über die kolumbianische Grenze, seine Mutter ist gestorben, er blieb allein zurück. – Wie alt mag er sein, fünf Jahre? – Er kommt aus Afrika, aber wir wissen immer noch nicht, aus welchem Land, weil er weder Englisch, Portugiesisch noch Französisch spricht. Er spricht nur die Sprache seines Stammes. Wir haben ihn ein wenig adoptiert.“ – So erzählte er mir. Ein schlaues Kerlchen, sehr aufgeweckt... Aber das Drama eines Kindes, das vom Leben im Stich gelassen wurde, denn seine Mutter starb und ein Polizist übergab ihn den Behörden, damit man sich um ihn kümmert. Das trifft dich, und so beginnt die Mission Form anzunehmen. Es bringt dich dazu, etwas zu sagen, eine Geste der Zuneigung zu tun. Es ist nicht eine reine Vernunftsache. Das heißt, die Mission zieht dich mit hinein, zumindest ist es bei mir so. Vielleicht liegt es daran, dass ich „italienisch“ bin und es in mir von innen her kommt und mich mithineinzieht. Ich sage immer zu den jungen Menschen: „Was du im Leben tun musst, das musst du im Vorangehen und mit drei Sprachen tun: die Sprache des Kopfes, des Herzens und der Hände.“ Und die drei Sprachen müssen miteinander harmonieren, so dass ihr denkt, was ihr fühlt und was ihr tut, dass ihr fühlt, was ihr denkt und was ihr tut, dass ihr tut, was ihr fühlt und was ihr denkt. Ich kann keine Bestandsaufnahme der Mission machen. Mit all dem gehe ich immer beten und verweile damit vor dem Herrn, manchmal schlafe ich vor dem Herrn ein, bringe ihm aber all diese Dinge, die ich in der Mission erlebt habe, und bitte ihn, durch mich im Glauben zu stärken. So verstehe ich die Sendung des Papstes und wie ich sie erlebe. Es gab zum Beispiel Fälle, in denen Schwierigkeiten dogmatischer Natur aufgetreten sind, und ich habe nicht das Gefühl, nur mit dem Verstand zu antworten, sondern ich handle auch spontan auf andere Weise.
Edwin Cabrera Uribe:
Alles in allem, hat der Weltjugendtag Ihren Erwartungen entsprochen?
Papst Franziskus:
Der Gradmesser, ob eine Reise den Erwartungen entsprochen hat, ist sichtlich die Müdigkeit, und ich bin todmüde!
Edwin Cabrera Uribe:
Und zum Abschluss, Heiliger Vater, ein verbreitetes Problem in ganz Zentralamerika, einschließlich Panama und einem Großteil Lateinamerikas: die Schwangerschaften von Mädchen, jungen Frauen, Teenager-Schwangerschaften. Allein in Panama waren es zehntausend im vergangenen Jahr und in Zentralamerika war es nicht anders. Die Kritiker der katholischen Kirche geben der Kirche die Schuld, weil sie gegen Sexualerziehung in den Schulen ist. Die katholische Kirche hat viele Schulen und Universitäten in Lateinamerika. Ich würde gerne die Meinung von Papst Franziskus zum Thema Sexualerziehung erfahren.
Papst Franziskus:
Ich denke, dass es in den Schulen eine Sexualerziehung braucht. Die Sexualität ist ein Geschenk Gottes, es ist kein Schreckgespenst, es ist die Gabe Gottes, um zu lieben. Dass jemand damit Geld verdient, andere ausbeutet, ist ein anderes Problem. Man muss aber eine objektive Sexualerziehung erteilen, so wie sie ist, ohne ideologische Kolonisierung. Denn wenn man in Schulen Sexualerziehung erteilt, die von ideologischer Kolonisierung durchdrungen sind, beschädigt man die Person. Die Sexualität als Geschenk Gottes braucht Erziehung, diese soll nicht steif sein; Erziehung kommt vom lateinischen „e-ducere“, das Beste aus der Person herausholen und sie auf ihrem Weg begleiten. Das Problem liegt bei den Bildungsverantwortlichen, ob auf nationaler oder lokaler Ebene oder in jeder Schuleinheit: welche Lehrer werden dafür ausgewählt, welche Lehrbücher ... Ich habe schon alle möglichen gesehen. Es gibt wirklich Dinge, die reifen lassen, und Dinge, die Schaden anrichten. Ich denke, dass … Ich weiß nicht, ob es objektiv ist oder nicht, dass es in Panama keine Sexualerziehung gibt, und ich sage das, ohne auf Panamas politische Probleme einzugehen … es braucht eine Sexualerziehung für die Kinder. Im Idealfall beginnt sie zu Hause, mit den Eltern. Das ist nicht immer möglich wegen vieler familiärer Situationen oder weil sie nicht wissen, wie sie es machen soll. Die Schule macht dies wett und muss es tun, sonst bleibt eine Lücke, die von irgendeiner Ideologie gefüllt wird.
Alessandro Gisotti:
Heiliger Vater, nun stellt Ihnen Javier Brocal von Romereports eine Frage:
Javier Martínez- Brocal:
Heiliger Vater, zunächst möchte ich Ihnen gratulieren, denn Sie haben den Rekord gebrochen: In vier Tagen wurden Sie zu einem Panamaer, es brauchte nur vier Tage, um das Herz Panamas zu gewinnen. Und dann möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Ich stelle sie auf Italienisch, denn von nun an sind die Antworten auf Italienisch. In diesen Tagen haben Sie mit vielen Menschen, mit vielen jungen Menschen gesprochen; sicherlich haben Sie auch mit jungen Menschen gesprochen, die sich von der Kirche entfernen oder Schwierigkeiten haben. Was sind Ihrer Meinung nach die Schwierigkeiten der Jugendlichen, was sind die Gründe, die sie von der Kirche entfernen? Danke.
Papst Franziskus:
Es gibt viele. Einige sind persönliche Gründe, aber allgemein, denke ich, ist der erste Grund das fehlende Zeugnis der Christen, der Priester und Bischöfe. Ich sage nicht der Päpste, weil das zu viel wird [Lachen], aber auch. Das fehlende Zeugnis. Wenn ein Hirte ein Unternehmer oder Organisator eines Pastoralplans ist, wenn ein Hirte nicht nah beim Volk ist, dann gibt dieser Hirte nicht das Zeugnis eines Hirten; der Hirte muss beim Volk sein, Hirt und Herde, sagen wir es so. Der Hirte muss vor der Herde sein, um den Weg zu zeigen; in der Mitte der Herde, um den Geruch der Schafe zu riechen und zu verstehen, was sie fühlen, welche Dinge sie brauchen, wie sie sich fühlen; und hinter der Herde, um die Nachhut zu schützen. Aber wenn der Hirte nicht aus Leidenschaft lebt, fühlen sich die Menschen verlassen oder in gewisser Weise geringgeschätzt, sie fühlen sich verwaist, und wo es Waisen gibt ... Ich habe die Hirten hervorgehoben, aber es geht auch um die Christen, um heuchlerische Katholiken, die jeden Sonntag zur Messe gehen und dann nicht das dreizehnte Monatsgehalt bezahlen; sie bezahlen schwarz, sie beuten Menschen aus und fahren dann in die Karibik, nicht bloß als Arbeitsreise, sondern um Urlaub zu machen, mit der Ausbeutung von Menschen .... „Nein, ich bin Katholik, ich gehe jeden Sonntag zur Messe.“ Aber wenn du das tust, gibst du ein Gegenzeugnis, und das ist meiner Meinung nach das, was die Menschen am meisten von der Kirche entfernt. Auch die Laien, alle ... Ich würde meinen: Sag nicht, dass du katholisch bist, wenn du kein [gutes] Zeugnis gibst; sag: Ich bin katholisch erzogen, aber ich bin lau, ich bin verweltlicht, entschuldigt mich, betrachtet mich nicht als Vorbild. Das muss man sagen. Ich habe Angst vor Katholiken, die sich für vollkommen halten. Die Geschichte jedoch wiederholt sich: Das Gleiche geschah Jesus bei den Gesetzeslehrern. „Ich danke dir, Herr, dass ich nicht bin nicht wie dieser arme Sünder.“ Das geht nicht. Das ist das fehlende Zeugnis. Es gibt andere Gründe, persönliche Schwierigkeiten manchmal. Aber das ist der häufigste.
Alessandro Gisotti:
Heiliger Vater, nun richtet Caroline Pigozzi vom „Paris Match“ eine Frage an Sie.
Papst Franziskus:
Zuerst möchte ich Ihnen danken. Ich habe Pater Benoist de Sinety ausfindig gemacht, er hat mit mir konzelebriert ... er ist ein guter Mann ... und die 200 Jugendlichen aus Paris auch.
Caroline Pigozzi:
Er ist sehr glücklich, und er hat einen weiteren Brief für Sie, Heiligkeit, den ich Ihnen nächste Woche geben werde, weil er ihn schreiben muss ...
Papst Franziskus:
Sehr gut. Danke, dass Sie mir dieses Buch gegeben haben [Benoist de Sinety, Il faut que des voix s’élèvent. Accueil des migrants, un appel au courage, Paris 2018].
Caroline Pigozzi:
Also, Heiliger Vater, wir haben vier Tage lang all diese jungen Menschen gesehen, die mit großer Intensität beten. Man kann sich vorstellen, dass unter all diesen jungen Menschen einige das geistliche Leben ergreifen wollen, man kann auch denken, dass eine gewisse Anzahl eine Berufung hat. Vielleicht zögert jemand, weil er denkt, dass es ein schwieriger Weg ist, ohne heiraten zu dürfen. Ist es denkbar, dass Sie in der katholischen Kirche, nach dem Beispiel des östlichen Ritus, erlauben werden, dass verheiratete Männer Priester werden?
Papst Franziskus:
Das können sie in der katholischen Kirche, im östlichen Ritus, und man trifft die Wahl – vor dem Diakonat –, zölibatär oder als Verheirateter zu leben.
Caroline Pigozzi:
Aber jetzt, in der katholischen Kirche des lateinischen Ritus, ist es denkbar, dass Sie diese Entscheidung treffen?
Papst Franziskus:
Im lateinischen Ritus … Mir kommt der Satz des heiligen Paul VI. in den Sinn: „Ich gebe lieber mein Leben, als das Zölibatsgesetz zu ändern.“ Das kam mir in den Sinn, und ich möchte es sagen, denn das ist ein mutiger Satz, in einer schwierigeren Zeit als dieser, die Jahre um 1968/70 herum ... Ich persönlich meine, dass der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist. Zweitens bin ich nicht damit einverstanden, den optionalen Zölibat zu erlauben, nein. Nur für die entlegensten Orte bliebe manche Möglichkeit – ich denke an die Pazifikinseln ... Aber es ist eine Sache, dass man darüber nachdenkt, wenn es dort pastorale Notwendigkeit gibt; der Hirte muss an die Gläubigen denken. Es gibt ein Buch von Pater Lobinger [Bischof Fritz Lobinger, Preti per domani (Priester für Morgen), Emi, 2009], das ist interessant – das ist etwas, das unter Theologen diskutiert wird, es gibt keine Entscheidung von meiner Seite. Meine Entscheidung ist: kein optionaler Zölibat vor dem Diakonat, nein. Das ist meine persönliche Einstellung, ich werde es nicht tun, das bleibt klar. Bin ich hier ein „verschlossener“ Typ? Vielleicht. Aber ich verspüre nicht den Mut, mich mit dieser Entscheidung vor Gott zu stellen. Zurück zu Bischof Lobinger; er sagte: „Die Kirche macht die Eucharistie, und die Eucharistie macht die Kirche.“ Aber wo es keine Eucharistie gibt, in den Gemeinden – Carolina, denken Sie an die Pazifikinseln ...
Carolina Pigozzi:
… auch an das Amazonasgebiet …
Papst Franziskus:
… vielleicht dort … an vielen Orten … Lobinger sagt: Wer macht die Eucharistie? In diesen Gemeinschaften sind die „Leiter“, sozusagen, sind die Organisatoren dieser Gemeinschaften Diakone oder Nonnen oder Laien, unmittelbar. Und Lobinger sagt: Man kann einen älteren Mann weihen, der verheiratet ist, – das ist seine These – man könnte einen älteren, verheirateten Mann weihen, aber nur, damit er das munus sanctificandi ausübt, das heißt, damit er die Messe feiert, das Bußsakrament verwaltet und die Krankensalbung spendet. Die Priesterweihe verleiht die drei munera: regendi – leiten, der Hirte –, docendi – lehren – und sanctificandi. Das verleiht die Weihe. Der Bischof würde nur die Fakultät für das munus sanctificandi erteilen: das ist die These. Das Buch ist interessant. Vielleicht hilft es, über das Problem nachzudenken. Ich meine, das Problem muss in diesem Sinne angepackt werden, wo es ein pastorales Problem wegen Priestermangel gibt. Ich sage nicht, dass es getan werden muss, denn ich habe nicht genug darüber nachgedacht, nicht genug darüber gebetet. Aber die Theologen müssen das studieren. Ein Beispiel ist Pater Lobinger ... er war ein Fidei-donum-Priester in Südafrika ... er ist bereits alt. Ich nenne dieses Beispiel, um auf die Punkte hinzuweisen, wo man etwas machen muss. Ich sprach mit einem Mitarbeiter des Staatssekretariats, einem Bischof, der in einem kommunistischen Land zu Beginn der Revolution arbeiten musste; als man sah, wie diese Revolution weiter verlief – so in den fünfziger Jahren –, weihten die Bischöfe heimlich Bauern, gute, fromme Bauern. Nach der Krise, dreißig Jahre später hat sich diese Frage dann gelöst. Und er erzählte mir von seiner Ergriffenheit, als er bei einer Konzelebration diese Bauern sah, wie sie mit ihren Bauernhänden ihre Alben anzogen, um mit den Bischöfen zu konzelebrieren. In der Geschichte der Kirche ist das vorgekommen. Es ist etwas, das man studieren, überdenken und darüber beten muss.
Caroline Pigozzi:
… da gibt es Protestanten, die katholisch geworden sind …
Papst Franziskus:
Ja, Sie fragen mich nach dem, was Papst Benedikt gemacht hat, das stimmt. Das hatte ich vergessen: „Anglicanorum coetibus“, die anglikanischen Priester, die katholisch geworden sind und ihr [Ehe-]Leben weiterführen, als wären sie gleichsam Ostkirchenpriester. Ich erinnere mich an eine Mittwochsaudienz, wo ich viele gesehen haben, mit dem Kollar und viele Frauen mit ihnen und Kinder an der Hand der Priester … und mir wurde erklärt, was das bedeutete. Das stimmt: Danke, das Sie mich daran erinnert haben.
Alessandro Gisotti:
Jetzt stellt Lena Klimkeit von der dpa eine Frage.
Lena Klimkeit:
Heiliger Vater, während des Kreuzwegs am Freitag hat ein Jugendlicher sehr starke Worte über die Abtreibung gesprochen; ich will sie kurz wiederholen: »Es gibt ein Grab, das zum Himmel schreit und die schreckliche Grausamkeit der Menschheit anprangert, es ist das Grab, das sich im Schoß der Mütter öffnet, aus dem das unschuldige Leben herausgerissen wird. Gott gewähre uns, wirklich menschlicher zu werden, standhaft das Leben zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass die Gesetze, die das unschuldige Leben töten, für immer gestrichen werden.« Das ist meiner Meinung nach eine sehr radikale Position. Ich frage mich, und ich möchte Sie fragen, ob diese Position auch das Leiden der Frauen in dieser Situation respektiert und ob sie Ihrer Botschaft der Barmherzigkeit entspricht.
Papst Franziskus:
Die Botschaft der Barmherzigkeit gilt allen, auch für die menschliche Person, die heranwächst. Sie gilt allen. Auch nach diesem Scheitern gibt es Barmherzigkeit, aber es ist eine schwierige Barmherzigkeit. Denn das Problem besteht nicht darin, Vergebung zu erteilen, sondern eine Frau zu begleiten, der bewusst geworden ist, dass sie abgetrieben hat. Das sind schreckliche Dramen. Einmal hörte ich einen Arzt über eine Theorie sprechen – ich erinnere mich nicht genau ... –, dass eine Zelle des neu empfangenen Fötus zum Mark der Mutter gelangt und es da auch eine Erinnerung des Körpers gibt. Das ist eine Theorie, aber um zu sagen: eine Frau, wenn sie darüber nachdenkt, was sie getan hat ... Ich sage dir die Wahrheit: Du musst im Beichtstuhl sein, und du musst dort Trost spenden, nichts bestrafen. Aus diesem Grund habe ich die Vollmacht allgemein erteilt, von der [Sünde der] Abtreibung aus Barmherzigkeit loszusprechen, denn oft – immer doch – müssen sie ihrem Kind begegnen. Und ich rate ihnen oft, wenn sie weinen und diese Angst haben: „Dein Kind ist im Himmel, sprich mit ihm, singe ihm das Schlaflied, das du nicht gesungen hast, das du ihm nicht hast singen können.“ Und dort findet sich ein Weg der Versöhnung zwischen der Mutter und ihrem Kind. Mit Gott ist sie schon geschehen: das ist Gottes Vergebung. Gott vergibt immer. Aber Barmherzigkeit ist auch, dass sie [die Frau] dies verarbeitet. Das Drama der Abtreibung. Um das wirklich zu verstehen, muss man in einem Beichtstuhl sein. Es ist schrecklich.
Alessandro Gisotti:
Danke, Heiliger Vater. Die nächste Frage kommt von Valentina Alazraki von Televisa. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, ist es fast ihre 150. Papstreise …
Valentina Alazraki:
Papst Franziskus, Sie haben in diesen Tagen hier in Panama gesagt, dass Sie Venezuela sehr nahe stehen, dass Sie sich den Venezolanern sehr nahe fühlen, und heute haben Sie eine gerechte, friedliche Lösung unter Achtung der Menschenrechte aller gefordert. Die Venezolaner möchten ein wenig besser verstehen, was das bedeutet, sie warten auf Ihr Wort, sie wollen wissen, ob diese Lösung durch die Anerkennung von Juan Guaidó zustande kommt, der von vielen Ländern unterstützt wurde, andere fordern kurzfristige Wahlen, freie Wahlen, damit die Menschen wählen können; sie haben das Gefühl, dass Sie ein lateinamerikanischer Papst sind und sie wollen Ihre Unterstützung, Ihre Hilfe und Ihren Rat spüren. Danke.
Papst Franziskus:
In diesem Moment unterstütze ich das gesamte venezolanische Volk, denn es ist ein Volk, das leidet, die Menschen auf der einen wie die auf der anderen Seite; es ist doch das ganze Volk, das leidet. Wenn ich mich einmischen und sagen würde: „Hört auf diese Länder, hört auf die anderen, die das sagen...“, würde ich mich in eine Rolle begeben, die ich nicht kenne, es wäre eine pastorale Unvorsichtigkeit meinerseits und ich würde Schaden anrichten. Ich habe viel über die [heute gesagten] Worte nachgedacht und nachgedacht. Und ich denke, dass ich damit meine Nähe zum Ausdruck gebracht habe und was ich fühle. Ich leide unter dem, was zurzeit in Venezuela geschieht, und deshalb habe ich darum gebeten, dass sie sich einigen … eine gerechte und friedliche Lösung. Was mir Angst macht, ist das Blutvergießen. Und ich bitte auch um Großherzigkeit beim Helfen seitens derer, die helfen können, das Problem zu lösen. Das Problem der Gewalt macht mir Angst ... Nach all den Bemühungen in Kolumbien denken Sie an das, was neulich in der Kadettenschule passiert ist, eine schreckliche Sache. Blutvergießen ist keine Lösung. Deshalb muss ich – ich mag das Wort „ausgewogen“ nicht – muss ich Hirte aller sein. Und wenn sie Hilfe benötigen, sollen sie im gegenseitigen Einvernehmen darum bitten. Das ist der Weg. Danke.
Alessandro Gisotti:
Danke, Heiliger Vater. Jetzt kommt Junno Arocho Esteves von Catholic News Service.
Junno Arocho Esteves:
Guten Abend, Euer Heiligkeit. Von Ihrem Mittagessen mit einer Gruppe junger Pilger erzählte uns ein junges amerikanisches Mädchen, dass Sie über den Schmerz und die Empörung vieler Katholiken, insbesondere in den Vereinigten Staaten, wegen der Missbrauchskrise nachgefragt hat. Viele amerikanische Katholiken beten für die Kirche, aber viele fühlen sich verraten und niedergeschlagen, nachdem kürzlich Berichte über Missbrauch und Vertuschung durch einige Bischöfe veröffentlicht wurden, und haben das Vertrauen in sie verloren. Eure Heiligkeit, was sind Ihre Erwartungen oder Hoffnungen hinsichtlich des Treffens im Februar, damit die Kirche beginnen kann, das Vertrauen zwischen den Gläubigen und ihren Bischöfen wieder aufzubauen?
Papst Franziskus:
Dieser ist schlau! Er begann mit der Reise und landete dort ... Kompliment! Danke für die Frage. Die Idee dazu wurde im K9 [Kardinalsrat] geboren, weil wir dort gesehen haben, dass einige Bischöfe nicht ganz verstanden haben oder nicht wussten, was sie tun sollten, oder machten etwas Gutes und dann etwas anderes falsch. Wir haben die Verantwortung gespürt, den Bischofskonferenzen eine „Katechese“ zu diesem Problem zu geben. Deshalb werden die Vorsitzenden [zum Treffen im Februar] einberufen. Eine Katechese, damit wir uns zunächst des Dramas bewusst werden: Was bedeutet ein missbrauchter Junge, ein missbrauchtes Mädchen. Ich empfange regelmäßig missbrauchte Menschen. Ich erinnere mich an einen: vierzig Jahre ohne beten zu können. Es ist schrecklich, dieses Leiden, schrecklich. Also, erstens, dass ihnen das bewusst wird. Zweitens, dass sie wissen, was zu tun ist, das Verfahren. Mitunter weiß der Bischof nämlich nicht, was er tun soll, weil es etwas ist, das sehr angewachsen ist, und es [das Wissen darüber, was zu tun ist] ist nicht überall angekommen. Und dann, dass Programme gemacht werden, allgemein gültige, dass sie alle Bischofskonferenzen erreichen: was der Bischof tun muss; was der Erzbischof, der Metropolit ist, tun muss; was der Vorsitzende der Bischofskonferenz tun muss. Dass es aber klar ist, so dass es – etwas rechtlich ausgedrückt – klare Protokolle gibt. Das ist die Hauptsache. Aber vor dem, was zu tun ist, kommt das, was ich vorher erwähnt haben: das Bewusstwerden. Dann wird es [beim Treffen im Februar] Gebetsmomente geben, es wird einige Zeugnisse geben, die helfen, das Bewusstsein zu schärfen, und dann eine Bußliturgie, um für die ganze Kirche um Vergebung zu bitten. Es wird gut vorbereitet. Lassen Sie mich sagen, dass ich eine etwas überhöhte Erwartung wahrgenommen habe: Wir müssen die Erwartungen auf ihren Kern zurückführen, auf diese Punkte, die ich erwähnt habe. Denn das Problem des Missbrauchs wird es weiter geben, es ist ein menschliches Problem, aber überall ein menschliches! Ich habe neulich eine Statistik gelesen, eine dieser Statistiken, die besagt: 50% werden gemeldet, von diesen 50% werden 20% ernst genommen – schon viel weniger – und so endete es: 5% werden verurteilt. Das ist schrecklich, wirklich schrecklich. Es ist ein menschliches Drama, dessen wir uns bewusst werden müssen. Und wenn wir das Problem innerhalb der Kirche lösen, indem wir uns dessen bewusst werden, können wir mithelfen, es auch in der Gesellschaft zu lösen, in den Familien, wo aus Scham alles verdeckt wird. Aber zuerst müssen wir uns selbst der Sache bewusst werden, gute Protokolle anwenden und weitermachen. Um das geht es. Und ... Kompliment!
Alessandro Gisotti:
Ich weiß nicht, ob noch Zeit ist für eine weitere Frage … Vielleicht eine kurze: Manuela Tulli von der ANSA. Wenn Sie sich kurz fassen können, weil – eben – das Abendessen bald serviert wird. Danke, Manuela.
Manuela Tulli:
Guten Abend, Heiliger Vater. Während dieses Weltjugendtages haben Sie gesagt, dass es absurd und unverantwortlich ist, Migranten als Bringer des sozialen Übels zu betrachten. In Italien hat die neue Politik gegenüber Migranten zur Schließung des Aufnahmezentrums für Asylbeantragende in Castelnuovo di Porto geführt, das Sie gut kennen. Es war eine Erfahrung, bei der man Samen der Integration sehen konnte, die Kinder gingen zur Schule, und jetzt droht diesen Leute die Entwurzelung. Sie hatten dieses Zentrum ausgesucht, um mit ihnen den Gründonnerstag 2016 zu feiern. Ich möchte Sie fragen, was Sie empfinden angesichts dieser Entscheidung, das Aufnahmezentrum in Castelnuovo di Porto zu schließen, wo Sie den Gründonnerstag 2016 gefeiert hatten. Und jetzt besteht die Gefahr der Zerstörung dieser Erfahrung, mit Kindern, die ...
Papst Franziskus:
Ja, ich hörte davon, was in Italien geschah, aber ich war hierin [in diese Reise] vertieft, so genau kenne ich die Sache nicht, aber ich kann es mir vorstellen. Es stimmt, das Problem der Migranten ist ein sehr komplexes Problem, sehr komplex. Es ist ein Problem, dass das Erinnern erfordert, d.h. sich zu fragen, ob die eigene Heimat von Migranten aufgebaut wurde. Wir Argentinier: alle Migranten. Die Vereinigten Staaten: alle Migranten. Um dieses Gedächtnis geht es. Ein Bischof oder ein Kardinal – ich weiß nicht mehr wer – hat einen sehr schönen Artikel über das Problem des „fehlenden Gedächtnisses“ geschrieben, so hieß er. Das ist eine Sache. Dann geht es um die Worte, die ich benutze: aufnehmen, das Herz offen für den Empfang; begleiten; wachsen lassen und integrieren. Und ich sage auch: Wer regiert, muss klug sein, denn die Klugheit ist die Tugend der Regierenden. Das habe ich hier auf dem letzten Flug schon so gesagt. Es ist ein schwieriges Gleichgewicht. Ich erinnere mich an das Beispiel Schwedens, das in den 1970er Jahren wegen der Diktaturen – Operation Condor in Lateinamerika – viele Migranten aufgenommen hatte, viele, viele, aber alle integriert. Ich sehe auch, was zum Beispiel Sant’Egidio macht: sofortige Integration. Aber die Schweden sagten letztes Jahr: „Haltet ein wenig an, denn wir können den Prozess nicht zu Ende führen.“ Das ist die Klugheit der Regierenden. Es ist auch ein Problem der Nächstenliebe, der Liebe, der Solidarität; und ich sage noch einmal, dass die Nationen, die hier bei der Aufnahme am großzügigsten sind – unter anderen Aspekten sind sie nicht so erfolgreich gewesen –, Italien und Griechenland sind. Auch die Türkei ein wenig. Aber Griechenland war sehr großzügig. Und Italien auch sehr. Als ich nach Lampedusa ging, das war am Anfang, im Jahr 2013 ... Aber es ist stimmt, man muss realistisch denken. Dann gibt es noch eine andere Sache, die zu berücksichtigen wichtig ist: Eine Möglichkeit, das Problem der Migration zu lösen, besteht darin, den Ländern zu helfen, aus denen sie kommen. Migranten kommen wegen Hunger oder Krieg. Investieren, wo Hunger herrscht – Europa ist dazu in der Lage –, um zum Wachstum beizutragen. Doch immer gibt es – wenn man von Afrika spricht – diese kollektive Vorstellung, die wir im Unbewussten haben: Afrika muss ausgebeutet werden. Das ist geschichtlich so und es tut weh. Die Migranten aus dem Nahen Osten haben andere Wege gefunden; der Libanon ist ein Wunder an Großzügigkeit: er hat mehr als eine Million Syrer aufgenommen. Jordanien ebenso: Sie sind offen, und sie tun, was sie können, in der Hoffnung auf Reintegration. Auch die Türkei hat einige davon aufgenommen. Und wir in Italien haben einige aufgenommen. Aber es ist ein komplexes Problem, über das ohne Vorurteile gesprochen werden muss, und dabei sind all diese Dinge zu berücksichtigen, die mir hier in den Sinn gekommen sind.
Alessandro Gisotti:
Danke, Heiliger Vater. Dann also guten Appetit, gute Reise; und in einer Woche sehen wir uns wieder für eine weitere sehr wichtige Reise [in die Vereinigten Arabischen Emirate].
Papst Franziskus:
Vielen Dank für Ihre Arbeit. Ich möchte nur eines über Panama sagen: Ich habe ein neues Gefühl gehabt. Ich kenne Lateinamerika, aber nicht Panama. Da kam mir ein Wort in den Sinn: Panama ist eine „edle“ Nation. Ich habe viel Adel vorgefunden. Das möchte ich so sagen. Und ich möchte noch etwas hinzufügen, was ich schon bei meiner Rückkehr aus Kolumbien gesagt habe, als ich über die Erfahrungen in Cartagena und anderen Städten sprach, etwas, das wir in Europa nicht sehen: Was ist der Stolz, in diesem Fall der Panamaer? Sie heben die Kinder hoch und sagen: „Das ist mein Sieg, das ist meine Zukunft, das ist mein Stolz!“ Das soll uns im demographischen Winter, den wir in Europa – in Italien unter Null – erleben, zum Nachdenken bringen: Worauf bin ich stolz? Auf den Tourismus, das Haus, das Hündchen, oder darauf, ein Kind hochzuheben? Danke. Betet für mich, ich brauche es. Danke.
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