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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE GLÄUBIGEN DER DIÖZESE ROM 

Audienzhalle
Samstag, 18. September 2021

[Multimedia]

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Wie ihr wisst – das ist keine Neuigkeit! –, steht ein synodaler Prozess bevor, ein Weg, auf dem sich die ganze Kirche mit dem Thema »Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung« beschäftigt: drei Säulen. Es sind drei Phasen geplant, die zwischen Oktober 2021 und Oktober 2023 stattfinden werden. Dieser Weg ist als eine Dynamik des gegenseitigen Zuhörens konzipiert, ich möchte das unterstreichen: eine Dynamik des gegenseitigen Zuhörens, die auf allen Ebenen der Kirche stattfindet und das ganze Volk Gottes einbezieht. Der Kardinalvikar und die Weihbischöfe müssen einander zuhören, die Priester müssen einander zuhören, die Ordensleute müssen einander zuhören, die Laien müssen einander zuhören. Und dann hören sie sich gegenseitig zu. Einander zuhören; miteinander reden und einander zuhören. Es geht nicht darum, Meinungen einzuholen, nein. Es handelt sich nicht um eine Umfrage, sondern um ein Hören auf den Heiligen Geist, wie es im Buch der Offenbarung heißt: »Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt« (2,7). Ohren zu haben, zuzuhören, ist die erste Verpflichtung. Es geht darum, Gottes Stimme zu hören, seine Gegenwart zu erfassen, seinen Vorübergang und seinen Lebensatem einzufangen. Der Prophet Elija entdeckte, dass Gott immer für Überraschungen gut ist, auch in der Art und Weise, wie er vorüberzieht und sich bemerkbar macht:

»Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach […]. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel« (1Kön 19, 11-13).

So spricht Gott zu uns. Und wegen diesem »sanften Säuseln« – das Exegeten auch als »eine subtile Stimme der Stille« und jemand anderer als »ein dünner Strang von klangvolle Stille« übersetzen – müssen wir unsere Ohren bereit machen, um dieses Säuseln Gottes zu hören.

Die erste Phase des Prozesses (Oktober 2021 – April 2022) betrifft die einzelnen Diözesankirchen. Und deshalb bin ich hier, als euer Bischof, um daran teilzuhaben, denn es ist sehr wichtig, dass sich die Diözese Rom mit Überzeugung auf diesen Weg begibt. Es wäre ja eine Schande, wenn sich die Diözese des Papstes nicht dafür einsetzen würde, oder? Eine Blamage für den Papst und auch für euch.

Das Thema Synodalität ist kein Kapitel in einer Abhandlung über Ekklesiologie und noch weniger eine Modeerscheinung, ein Schlagwort oder ein neuer Begriff, der in unseren Sitzungen verwendet oder ausgeschlachtet werden soll. Nein! Die Synodalität drückt das Wesen der Kirche aus, ihre Form, ihren Stil, ihre Sendung. Und so müssen wir von der synodalen Kirche sprechen, aber vermeiden, das als einen Titel unter anderen zu betrachten, als eine Anschauung mit Alternativen. Ich sage dies nicht auf der Grundlage einer theologischen Meinung, nicht einmal als persönliche Idee, sondern in Anlehnung an das, was wir als das erste und wichtigste »Handbuch« der Ekklesiologie betrachten können, nämlich die Apostelgeschichte.

Das Wort »Synode« enthält alles, was wir verstehen müssen: »gemeinsam gehen«. Die Apostelgeschichte ist die Geschichte einer Reise, die in Jerusalem beginnt und über Samarien und Judäa, Syrien und Kleinasien und Griechenland schließlich in Rom endet. Dieser Weg erzählt die Geschichte, in der das Wort Gottes und die Menschen, die ihre Aufmerksamkeit und ihren Glauben auf dieses Wort richten, gemeinsam wandern. Das Wort Gottes geht mit uns mit. Jeder ist ein Protagonist, niemand kann als bloßer Statist betrachtet werden. Das muss klar sein: Jeder ist ein Protagonist. Der Protagonist ist nicht mehr der Papst, der Kardinalvikar, die Weihbischöfe; nein: wir alle sind Protagonisten, und niemand kann als bloßer Statist betrachtet werden. Die Ämter galten damals noch als echte Dienste. Und die Autorität entstand aus dem Hören auf die Stimme Gottes und des Volkes – man darf das nie trennen –, was diejenigen, die sie empfingen, »geerdet« hielt. Der »Boden« des Lebens, dem der Dienst der Nächstenliebe und des Glaubens erwiesen werden musste. Aber diese Geschichte ist nicht nur aufgrund der geografischen Orte, durch die sie verläuft, in Bewegung. Es drückt eine ständige innere Unruhe aus: das ist ein Schlüsselwort, innere Unruhe. Wenn ein Christ diese innere Unruhe nicht spürt, wenn er sie nicht lebt, fehlt etwas; und diese innere Unruhe kommt aus dem eigenen Glauben und lädt uns ein, zu prüfen, was am besten zu tun ist, was beibehalten oder verändert werden muss. Diese Geschichte lehrt uns, dass Stillstand kein guter Zustand für die Kirche sein kann (vgl. Evangelii gaudium, 23). Und die Bewegung ist eine Folge der Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist, der der Regisseur dieser Geschichte ist, in der alle rastlose Protagonisten sind, die niemals stillstehen.

Petrus und Paulus sind nicht einfach nur zwei Menschen mit ihren Charakteren, sie sind Visionen, die in Horizonten leben, die größer sind als sie selbst, die fähig sind, sich selbst in Bezug auf das, was geschieht, zu überdenken, die Zeugen eines Impulses sind, der sie in eine Krise stürzt – ein weiterer Ausdruck, den man sich immer merken sollte: in eine Krise stürzen –, der sie dazu bringt, etwas zu wagen, zu hinterfragen, zu überdenken, Fehler zu machen und daraus zu lernen, vor allem aber, trotz der Schwierigkeiten zu hoffen. Sie sind Jünger des Heiligen Geistes, der sie die Geografie des göttlichen Heils entdecken lässt, indem er Türen und Fenster öffnet, Mauern einreißt, Ketten sprengt und Grenzen aufhebt. Dann kann es notwendig sein, aufzubrechen, die Richtung zu ändern, Überzeugungen zu überwinden, die uns zurückhalten und uns daran hindern, uns zu bewegen und gemeinsam zu gehen.

Wir können sehen, wie der Geist Petrus dazu drängt, trotz seines Zögerns zum Haus des heidnischen Hauptmanns Kornelius zu gehen. Ihr erinnert euch: Petrus hatte eine Vision gehabt, die ihn beunruhigt hatte, in der er aufgefordert wurde, Dinge zu essen, die als unrein galten. Trotz der Zusicherung, dass das, was Gott reinigt, nicht mehr als unrein gilt, blieb er perplex. Er versuchte zu verstehen, und da kamen die von Cornelius gesandten Männer. Auch er hatte eine Vision und eine Botschaft erhalten. Er war ein römischer Offizier, fromm, mit dem Judentum sympathisierend, aber er war noch nicht weit genug, um ganz Jude oder Christ zu sein: keine religiöse »Zollstation« würden ihn durchlassen. Er war ein Heide, und dennoch wird ihm offenbart, dass seine Gebete Gott erreicht haben und dass er jemanden schicken muss, der Petrus sagt, er solle zu seinem Haus kommen. In diesem Schwebezustand, in dem einerseits Petrus mit seinen Zweifeln und andererseits Kornelius in jener Grauzone wartet, ist es der Heilige Geist, der den Widerstand des Petrus auflöst und ein neues Kapitel der Mission aufschlägt. Das ist die Art und Weise, wie der Geist sich bewegt, genau so. Die Begegnung zwischen den beiden besiegelt einen der schönsten Sätze des Christentums. Kornelius war ihm entgegengegangen und hatte sich ihm zu Füßen geworfen, aber Petrus richtete ihn auf und sagte: »Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch« (Apg 10,26), und wir alle sagen: »Ich bin ein Mann, ich bin eine Frau, wir sind Menschen«, und wir alle sollten es sagen, auch die Bischöfe, wir alle: »Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch«. Und der Text betont, dass er sich mit ihm im familiären Tonfall unterhielt (vgl. V. 27). Das Christentum muss immer menschlich sein, vermenschlichen, Unterschiede und Entfernungen ausgleichen und sie in Vertrautheit, in Nähe verwandeln. Eines der Übel der Kirche, ja eine Perversion, ist dieser Klerikalismus, der den Priester, den Bischof von den Menschen trennt. Der Bischof und der vom Volk losgelöste Priester ist ein Beamter, er ist kein Seelsorger. Der heilige Paul VI. zitierte gerne die Maxime von Terenz: »Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd«. Die Begegnung zwischen Petrus und Kornelius löste ein Problem, sie förderte den Entschluss, den Heiden direkt zu predigen, in der Überzeugung - das sind die Worte des Petrus – »dass Gott nicht auf die Person sieht« (Apg 10,34). Im Namen Gottes darf man nicht diskriminieren. Und Diskriminierung ist auch unter uns eine Sünde: »Wir sind die Reinen, wir sind die Auserwählten, wir gehören zu dieser Bewegung, die alles besser weiß, wir sind …«. Nein. Wir sind die Kirche, alle zusammen.

Und schaut, wir können »Katholizität« nicht verstehen, ohne uns auf dieses weite, gastfreundliche Feld zu beziehen, das keine Grenzen kennt. Kirche zu sein ist ein Weg, um in diese Weite Gottes einzutreten. In der Apostelgeschichte geht es dann um die Probleme, die sich aus der Organisation der wachsenden Zahl von Christen und insbesondere aus der Versorgung der Armen ergeben. Einige weisen darauf hin, dass die Witwen vernachlässigt werden. Der Weg zu einer Lösung besteht darin, die Jüngerversammlung einzuberufen und gemeinsam den Beschluss zu fassen, sieben Männer zu ernennen, die sich voll und ganz der diakonia, dem Dienst an den Tischen, widmen würden (Apg 6,1-7). Und so geht die Kirche mit Unterscheidungsvermögen, mit Bedürfnissen, mit der Realität des Lebens und der Kraft des Geistes vorwärts, geht gemeinsam, ist synodal. Aber immer ist der Geist der große Protagonist der Kirche.

Dann gibt es auch die Konfrontation zwischen unterschiedlichen Visionen und Erwartungen. Wir müssen nichts befürchten, wenn dies auch heute noch der Fall ist. Wenn wir nur so diskutieren könnten! Dies sind Zeichen der Fügsamkeit und Offenheit für den Geist. Es kann auch zu Auseinandersetzungen kommen, die dramatische Ausmaße annehmen, wie das Problem der Beschneidung der Heiden, bis hin zu den Beratungen des so genannten Konzils von Jerusalem, dem ersten Konzil. Auch heute noch gibt es eine starre Betrachtungsweise der Umstände, die die makrothymía Gottes abtötet, d.h. jene Geduld des Blicks, die von tiefen Visionen, weiten Visionen, langen Visionen genährt wird: Gott sieht weit, Gott ist nicht in Eile. Starrheit ist eine weitere Perversion, die eine Sünde gegen die Geduld Gottes ist, eine Sünde gegen die Souveränität Gottes. Dies geschieht auch heute.

Es geschah damals so: Einige Konvertiten aus dem Judentum glaubten in ihrer Selbstbezogenheit, dass es keine Erlösung geben könne, ohne sich dem Gesetz des Moses zu unterwerfen. Auf diese Weise forderten sie Paulus heraus, der die Erlösung direkt im Namen Jesu verkündete. Eine Ablehnung seines Handelns hätte die Aufnahme der Heiden gefährdet, die sich inzwischen bekehrten. Paulus und Barnabas wurden zu den Aposteln und Ältesten in Jerusalem gesandt. Das war nicht einfach: Angesichts dieses Problems schienen die Positionen unvereinbar, und es gab lange Diskussionen. Es ging darum, die Freiheit des Handelns Gottes anzuerkennen, und dass es keine Hindernisse gibt, die ihn davon abhalten könnten, die Herzen der Menschen zu erreichen, unabhängig von ihrem moralischen oder religiösen Hintergrund. Was die Situation löste, war das Festhalten an der Offensichtlichkeit, dass »Gott, der die Herzen kennt«, der cardiognosta, die Herzen kennt. Er selbst unterstützte, dass die Heiden zum Heil zugelassen werden könnten, »indem er ihnen ebenso wie uns den Heiligen Geist gab« (Apg 15,8), wodurch der Heilige Geist wie uns auch den Heiden zuteil wurde. Auf diese Weise herrschte der Respekt vor allen Sensibilitäten vor und milderte die Exzesse; die Erfahrung des Petrus mit Kornelius wurde hochgehalten: So finden wir im Schlussdokument das Zeugnis der Protagonistenschaft des Geistes auf diesem Weg der Entscheidungen und der Weisheit, die immer in der Lage ist, zu inspirieren: »Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen«, außer der notwendigen (Apg 15,28). »Wir«: In dieser Synode gehen wir den Weg, damit wir sagen können: »der Heilige Geist und wir haben beschlossen«, denn ihr werdet unter dem Wirken des Heiligen Geistes in einem ständigen Dialog miteinander stehen, und auch im Dialog mit dem heiligen Geist. Vergesst diese Formel nicht: »Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen«. Der Heilige Geist und wir. So müsst ihr versuchen, euch auf diesem synodalen Weg auszudrücken. Wenn der Geist nicht da ist, wird es ein Diözesanparlament sein, aber keine Synode. Wir bilden kein Diözesanparlament, wir machen keine Studie über dieses oder jenes, nein: wir gehen einen Weg des gegenseitigen Zuhörens und des Hörens auf den Heiligen Geist, des Diskutierens und auch des Diskutierens mit dem Heiligen Geist, was eine Form des Betens ist.

»Der Heilige Geist und wir«. Stattdessen besteht immer die Versuchung, einen Alleingang zu machen und eine Ersatz-Ekklesiologie zu formulieren – es gibt so viele Ersatz-Ekklesiologien –, als ob der Herr, als er in den Himmel aufgestiegen ist, eine Lücke hinterlassen hätte, die es zu füllen gilt, und wir füllen sie. Nein, der Herr hat uns den Geist hinterlassen! Aber die Worte Jesu sind eindeutig: »Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. […] Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen« (Joh 14,16.18). Zur Erfüllung dieser Verheißung ist die Kirche ein Sakrament, wie es in Lumen gentium 1 heißt: »Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«. In diesem Satz, der das Zeugnis des Konzils von Jerusalem aufgreift, liegt die Absage an diejenigen, die darauf bestehen, sich an die Stelle Gottes zu setzen, die wagen, die Kirche nach ihren eigenen kulturellen und historischen Überzeugungen zu formen, sie zu bewaffneten Grenzen, zu anschuldigenden Zollstellen, zu Spiritualitäten zu zwingen, die der Unentgeltlichkeit des überwältigenden Handelns Gottes lästern. Wenn die Kirche in Wort und Tat Zeugnis ablegt von der bedingungslosen Liebe Gottes, von seiner gastfreundlichen Weite, bringt sie wahrhaftig ihre eigene Katholizität zum Ausdruck. Und sie wird innerlich und äußerlich zum Anstoß, Räume und Zeiten zu durchqueren. Der Impuls und die Fähigkeit kommen vom Geist: »Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1,8). Die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, um Zeugen zu sein: Das ist der Weg von uns, der Kirche, und wir werden Kirche sein, wenn wir diesen Weg gehen.

Synodale Kirche bedeutet Sakrament dieser Verheißung - dass der Geist mit uns sein wird – zu sein, das sich in der Pflege der Vertrautheit mit dem Geist und mit der kommenden Welt ausdrückt. Es wird immer Diskussionen geben, Gott sei Dank, aber Lösungen müssen gesucht werden, indem wir Gott und seinen Stimmen in unserer Mitte das Wort geben; indem wir beten und unsere Augen für alles öffnen, was uns umgibt; indem wir ein Leben in Treue zum Evangelium führen; indem wir die Offenbarung gemäß einer pilgernden Hermeneutik befragen, die den in der Apostelgeschichte begonnenen Weg zu bewahren weiß. Und das ist wichtig: die Art des Verstehens, des Interpretierens. Eine Pilgerhermeneutik, das heißt, eine Hermeneutik, die auf dem Weg ist. Die Reise, die nach dem Konzil begann? Nein. Sie begann mit den ersten Aposteln, und sie geht weiter. Wenn die Kirche stehen bleibt, ist sie nicht mehr Kirche, sondern ein schöner frommer Verein, weil sie den Heiligen Geist einsperrt. Es handelt sich um eine Pilgerhermeneutik, die es versteht, den in der Apostelgeschichte begonnenen Weg zu hüten. Andernfalls würde der Heilige Geist gedemütigt werden. Gustav Mahler – das habe ich schon bei anderen Gelegenheiten gesagt – meinte, dass die Treue zur Tradition nicht darin besteht, die Asche anzubeten, sondern das Feuer zu bewahren. Ich möchte euch fragen: »Bevor ihr diese synodale Reise antretet, was möchtet ihr lieber tun: die Asche der Kirche, das heißt eure Vereinigung, eure Gruppe bewahren, oder aber das Feuer? Neigt ihr eher dazu, eure eigenen Dinge anzubeten, die euch verschließen – ich gehöre zu Petrus, ich gehöre zu Paulus, ich gehöre zu diesem Verein, ihr gehört zu dem anderen, ich bin Priester, ich bin Bischof – oder fühlt ihr euch berufen, das Feuer des Geistes zu hüten? Er war ein großer Komponist, dieser Gustav Mahler, aber er ist auch ein Meister der Weisheit mit dieser Überlegung. Dei Verbum (Nr. 8) zitiert den Hebräerbrief: »Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten« (Hebr 1,1), und fügt an: Gott ist »ohne Unterlass im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes«. Der heilige Vinzenz von Lérins benützt einen schönen Vergleich zwischen dem heranwachsenden Menschen und der von Generation zu Generation weitergegebenen Tradition und bekräftigt, dass man das »Glaubensgut« nicht bewahren kann, ohne es weiterzuentwickeln: »Es festigt sich mit den Jahren, entwickelt sich mit der Zeit, vertieft sich mit dem Alter« (Commonitorium primum, 23 9) - »ut annis consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate«. Das ist der Stil unseres Weges: Die Realitäten sind, wenn sie nicht weitergehen, wie das Wasser. Mit der theologischen Realität ist es wie mit dem Wasser: Wenn das Wasser nicht fließt und abgestanden ist, verfault es als erstes. Eine abgestandene Kirche beginnt zu verfaulen.

Ihr seht also, dass unsere Tradition ein Sauerteig ist, eine gärende Wirklichkeit, in der wir das Wachstum erkennen können, und in diesem Teig eine Gemeinschaft, die sich in der Bewegung verwirklicht: Das gemeinsame Gehen verwirklicht wahre Gemeinschaft. Auch hier soll uns die Apostelgeschichte helfen, die uns zeigt, dass die Gemeinschaft die Unterschiede nicht unterdrückt. Es ist eine Überraschung des Pfingstfestes, dass die verschiedenen Sprachen kein Hindernis darstellen: Obwohl sie einander fremd waren, hört dank des Wirkens des Geistes »sie jeder von uns in seiner Muttersprache« (Apg 2,8). Sich zu Hause fühlen, verschieden, aber vereint auf dem Weg. Entschuldigt, dass ich so lange gesprochen habe, aber die Synode ist eine ernste Angelegenheit, und deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, so zu sprechen …

Um auf den synodalen Prozess zurückzukommen: die diözesane Phase ist sehr wichtig, weil sie die Anhörung der Gesamtheit der Getauften verwirklicht, dem Subjekt des sensus fidei, der unfehlbar in credendo ist. Es gibt viele Widerstände, das Bild einer Kirche zu überwinden, die starr zwischen Chefs und Untergebenen, zwischen denen, die lehren, und denen, die lernen müssen, aufgeteilt ist. Dabei wird vergessen, dass Gott gerne Positionen umstößt: »Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen« (Lk 1,52), sagte Maria. Das gemeinsame Gehen entdeckt die Horizontalität und nicht die Vertikalität als seine Linie. Die synodale Kirche stellt den Horizont wieder her, von dem die Sonne Christi aufgeht: Hierarchische Denkmäler zu errichten bedeutet, ihn zu verdecken. Die Hirten gehen mit dem Volk: Wir Hirten gehen mit dem Volk, manchmal vorne, manchmal in der Mitte, manchmal hinten. Der gute Hirte muss sich auf diese Weise bewegen: vorne, um zu führen, in der Mitte, um zu ermutigen und den Geruch der Herde nicht zu vergessen, hinten, weil das Volk auch eine »Spürnase« hat. Es hat ein Gespür dafür, neue Wege zu finden oder den verlorenen Weg wiederzufinden. Das möchte ich betonen, auch gegenüber den Bischöfen und Priestern der Diözese. Auf ihrem synodalen Weg sollen sie sich fragen: »Bin ich fähig zu gehen, mich zu bewegen, vorne, in der Mitte und hinten, oder sitze ich nur auf dem Bischofsstuhl, mit Mitra und Bischofsstab?« Hirten, die mitmischen, aber Hirten, nicht Herde: Die Herde weiß, dass wir Hirten sind, die Herde kennt den Unterschied. Vorne, um den Weg zu zeigen, in der Mitte, um zu hören, was die Menschen fühlen, und hinten, um denen zu helfen, die ein wenig zurückgeblieben sind, und um das Volk mit seinem Geruchssinn herausfinden zu lassen, wo die besten Kräuter sind.

Der sensus fidei ermächtigt jeden zur Würde des prophetischen Amtes Jesu Christi (vgl. Lumen gentium, 34-35), um zu erkennen, welches die Wege des Evangeliums in der Gegenwart sind. Es ist der »Spürsinn« der Schafe; doch wir sollten uns bewusst sein, dass wir in der Heilsgeschichte alle Schafe in Bezug auf den Hirten sind, welcher der Herr ist. Das Bild hilft uns, die beiden Dimensionen zu verstehen, die zu diesem »Spürsinn« beitragen. Die eine ist persönlich, die andere gemeinschaftlich: Wir sind Schafe und wir sind Teil der Herde, die in diesem Fall die Kirche darstellt. Wir lesen im Brevier, in der Lesehore, Augustinus’ De pastoribus, und dort sagt er uns: »Mit euch bin ich Schaf, für euch bin ich Hirte«. Diese beiden Aspekte, der persönliche und der kirchliche, sind untrennbar miteinander verbunden: Es gibt keinen sensus fidei ohne die Teilnahme am Leben der Kirche, das nicht nur aus katholischem Aktivismus besteht, sondern vor allem aus jenem »Gespür«, das von den »Gesinnungen Christi« (vgl. Phil 2,5) genährt wird.

Die Ausübung des sensus fidei kann sich nicht auf die Mitteilung und den Vergleich von Meinungen beschränken, die wir zu diesem oder jenem Thema, zu diesem oder jenem Aspekt der Lehre oder zu dieser oder jener Regel der Disziplin haben mögen. Nein, das sind Instrumente, das sind Formulierungen, das sind dogmatische oder disziplinarische Äußerungen. Aber die Idee, zwischen Mehrheiten und Minderheiten zu unterscheiden, darf nicht vorherrschen: Das macht ein Parlament. Wie oft sind die »Verworfenen« zu »Ecksteinen« geworden (vgl. Ps 118,22; Mt 21,42), die »Fernen« zu »Nächsten« (Eph 2,13). Die Ausgegrenzten, die Armen, die Hoffnungslosen sind zum Sakrament Christi erwählt worden (vgl. Mt 25,31-46). So ist die Kirche. Und wenn einige Gruppen sich hervortun wollten, endeten diese Gruppen immer schlecht, sogar in der Leugnung des Heils, in Häresien. Denken wir an die Irrlehren, die den Anspruch erhoben, die Kirche voranzubringen, wie der Pelagianismus und dann der Jansenismus. Jede Häresie endete böse. Gnostizismus und Pelagianismus sind eine ständige Versuchung für die Kirche. Wir sind zu Recht sehr darauf bedacht, dass in den liturgischen Feiern alles ehrwürdig gestaltet ist, und das ist auch gut so – auch wenn wir damit oft nur uns selbst bestätigen –, doch der heilige Johannes Chrysostomus mahnt uns: »Willst du also Christi Leib ehren? Geh nicht an ihm vorüber, wenn du ihn nackt siehst; ehre ihn nicht hier mit seidenen Gewändern, während du dich draußen auf der Straße nicht um ihn kümmerst, wo er vor Kälte und Blöße zugrunde geht! Derselbe, der da gesagt hat: ›Dies ist mein Leib‹, und durch das Wort die Tatsache bekräftigte, derselbe hat auch gesagt: ›Ihr habt mich hungern gesehen, und habt mich nicht genährt‹«. (Kommentar zum Evangelium des heiligen Matthäus, 50, 3). »Aber, Heiliger Vater, was sagen Sie denn da? Die Armen, die Bettler, die jungen Drogenabhängigen, all die, die von der Gesellschaft verworfen werden, sind sie Teil der Synode?« Ja, mein Lieber, ja, meine Liebe: Nicht ich sage das, sondern der Herr sagt das: Sie sind Teil der Kirche. Wenn du sie nicht rufst – wir werden sehen, wie – oder wenn du nicht zu ihnen gehst, um einige Zeit mit ihnen zu verbringen, um nicht nur zu hören, was sie sagen, sondern was sie fühlen, sogar die Beleidigungen, die sie euch an den Kopf werfen, dann machst du die Synode nicht richtig. Die Synode geht bis an die Grenzen, sie schließt alle ein. Bei der Synode geht es auch darum, Raum zu schaffen für einen Dialog über unser Elend, das Elend, das ich als euer Bischof fühle, das Elend, das die Weihbischöfe spüren, das Elend, das die Priester und die Laien leben, und das Elend derer, die den Verbänden angehören; nehmt all dieses Elend! Aber wenn wir die Elenden – in Anführungszeichen – der Gesellschaft, die Ausgestoßenen, nicht mit einbeziehen, werden wir nie in der Lage sein, unser eigenes Elend zu bewältigen. Und das ist wichtig: dass im Dialog unsere eigenen Nöte zum Vorschein kommen können, ohne dass wir uns rechtfertigen müssen. Habt keine Angst!

Es ist notwendig, sich einem großen Volk zugehörig zu fühlen, das Empfänger der göttlichen Verheißungen ist, offen für eine Zukunft, die alle erwartet, um an dem Festmahl teilzunehmen, das Gott für alle Völker bereitet hat (vgl. Jes 25,6). Und hier möchte ich darauf hinweisen, dass es auch beim Begriff »Volk Gottes« starre und kontrastierende Hermeneutiken geben kann, die in der Vorstellung einer Exklusivität, eines Privilegs gefangen bleiben, wie es bei der Auslegung des Begriffs »Erwählung« der Fall war, den die Propheten korrigierten, indem sie aufzeigten, wie er richtig verstanden werden sollte. Es geht nicht um ein Privileg – das Volk Gottes sein – sondern um eine Gabe, die jemand erhält … für sich selbst? Nein, für alle; die Gabe ist zum Geben da: das ist die Berufung. Es ist ein Geschenk, das jemand für alle erhält, das wir für andere erhalten haben, es ist ein Geschenk, das auch eine Verantwortung bedeutet. Die Verantwortung, mit Taten und nicht nur mit Worten von den Wundern Gottes zu zeugen, die, wenn sie erkannt werden, den Menschen helfen, Gottes Existenz zu entdecken und sein Heil anzunehmen. Die Erwählung ist ein Geschenk, und die Frage ist: Mein Christsein, mein christliches Bekenntnis, wie schenke ich es weiter, wie gebe ich es weiter? Der universale Heilswille Gottes wird der Geschichte, der ganzen Menschheit durch die Menschwerdung seines Sohnes angeboten, damit alle durch die Vermittlung der Kirche seine Kinder und Brüder und Schwestern untereinander werden können. Auf diese Weise wird die universale Versöhnung zwischen Gott und der Menschheit erreicht, jene Einheit des ganzen Menschengeschlechts, deren Zeichen und Werkzeug die Kirche ist (vgl. Lumen gentium, 1). Schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil reifte die auf dem sorgfältigen Studium der Väter beruhende Überlegung, dass das Volk Gottes auf die Verwirklichung des Reiches Gottes, auf die Einheit des von Gott geschaffenen und geliebten Menschengeschlechts ausgerichtet ist. Und die Kirche, wie wir sie kennen und erleben, in der apostolischen Sukzession, diese Kirche muss sich mit dieser universalen Erwählung verbunden fühlen und aus diesem Grund ihre Sendung erfüllen. In diesem Geiste habe ich Fratelli tutti geschrieben. Die Kirche ist, wie der heilige Paul VI. sagte, eine Lehrerin der Mitmenschlichkeit, die heute eine Schule der Geschwisterlichkeit werden will.

Warum sage ich euch das alles? Weil auf dem synodalen Weg das Zuhören den sensus fidei berücksichtigen muss, aber nicht all jene »Vorahnungen« übersehen darf, die dort leben, wo man sie nicht erwartet: Es kann ein »Gespür ohne Bürgerrecht« geben, das aber nicht weniger wirksam ist. Der Heilige Geist kennt in seiner Freiheit keine Grenzen und lässt sich auch nicht durch Zugehörigkeit einschränken. Wenn die Gemeinde das Zuhause aller Menschen in der Umgebung ist und kein exklusiver Club, dann bitte ich, Türen und Fenster offen zu lassen und sich nicht darauf zu beschränken, nur diejenigen zu berücksichtigen, die am Gemeindeleben Anteil nehmen oder genau so denken wie ihr - das werden 3, 4 oder 5% sein, nicht mehr. Lasst alle herein … Lasst euch auf sie ein, lasst euch von ihnen befragen, lasst ihre Fragen eure Fragen sein, lasst uns gemeinsam gehen: der Geist wird euch führen, vertraut dem Geist. Habt keine Angst, in einen Dialog einzutreten, und lasst euch von diesem Dialog erschüttern: Es ist der Dialog des Heils.

Lasst euch nicht entmutigen, seid auf Überraschungen gefasst. Im Buch Numeri (Kap. 22) gibt es eine Episode, die von einer Eselin erzählt, die eine Prophetin Gottes werden soll. Die Juden stehen am Ende der langen Reise, die sie in das gelobte Land führen wird. Ihr Durchzug erschreckt König Balak von Moab, der sich auf die Künste des Magiers Bileam verlässt, um das Volk aufzuhalten, in der Hoffnung, einen Krieg zu vermeiden. Der Magier, der auf seine Art gläubig ist, fragt Gott, was er tun soll. Gott sagt ihm, er solle den König nicht unterstützen. Dieser besteht darauf aber, und so gibt Bileam nach und steigt auf eine Eselin, um den erhalten Befehl auszuführen. Doch die Eselin ändert ihren Weg, weil sie einen Engel mit einem gezückten Schwert sieht, der für Gottes Widerstand steht. Bileam zerrt an ihr, schlägt sie, ohne dass es ihm gelingt, sie auf den Weg zurückzubringen. Bis die Eselin zu sprechen beginnt und einen Dialog in Gang setzt, der dem Magier die Augen öffnet und seine Mission von Fluch und Tod in eine Sendung des Segens und des Lebens verwandelt.

Diese Geschichte lehrt uns, darauf zu vertrauen, dass der Geist immer seine Stimme erheben wird. Selbst eine Eselin kann zur Stimme Gottes werden, die uns die Augen öffnet und uns von unseren Irrwegen abbringt. Wenn ein Esel das kann, wie viel mehr kann das ein Getaufter, ein Priester, ein Bischof, ein Papst. Es genügt, wenn wir uns dem Heiligen Geist anvertrauen, der sich aller Geschöpfe bedient, um zu uns zu sprechen: Er bittet uns nur, unsere Ohren zu reinigen, um richtig zu hören.

Ich bin hierhergekommen, um euch zu ermutigen, diesen synodalen Prozess ernst zu nehmen, und um euch zu sagen, dass der Heilige Geist euch braucht. Und das ist wahr: Der Heilige Geist braucht uns. Hört ihm zu, indem ihr euch untereinander zuhört. Lasst niemanden außen vor oder zurück. Das wird gut sein für die Diözese Rom und für die ganze Kirche, die nicht nur durch Strukturreformen gestärkt wird – das ist die große Täuschung! – oder durch Instruktionen, das Anbieten von Exerzitien und Konferenzen, oder durch Richtlinien und Programme - das ist gut, aber als Teil von etwas anderem - sondern wenn sie wiederentdeckt, dass sie ein Volk ist, das zusammen weitergehen will, unter uns und mit der Menschheit. Ein Volk, das Volk von Rom, das die Vielfalt aller Völker und aller Zustände in sich vereint: welch außerordentlicher Reichtum in seiner Vielschichtigkeit! Aber wir müssen über die 3-4%, die am nächsten stehen, herausgehen und darüber weitergehen, um anderen zuzuhören, die euch manchmal beleidigen und verjagen, aber wir müssen hören, was sie denken, ohne ihnen unsere eigenen Dinge aufzwingen zu wollen: Lassen wir den Geist zu uns sprechen.

In dieser Zeit der Pandemie drängt der Herr auf die Sendung einer Kirche, die ein Sakrament der Fürsorge ist. Die Welt hat ihren Schrei erhoben und ihre Verwundbarkeit zum Ausdruck gebracht: Die Welt braucht Fürsorge.

Habt Mut und geht voran! Ich danke euch!



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